Der Mord in Kassel 2006 – „betreutes Morden“

Zum zehnjährigen Gedenken an Halit Yozgat

 Das Gewährenlassen des NSU hat der Rechtsanwalt Thomas Bliwier, der die Familie des NSU-Opfers Halit Yozgat vertritt, knapp und richtig als „vom Verfassungsschutz betreute Morde“ (Hart aber fair-Sendung vom 5.3.2016) bezeichnet.

Der Mord in Kassel weist zwei Besonderheiten auf: Zur Tatzeit war der hessische Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas Temme am Tatort in einem Internet-Café – angeblich ganz privat. Ein Verfassungsschutzmitarbeiter, der den Spitznamen ›Klein-Adolf‹ trug, einen ortsbekannten Neonazi als V-Mann ›führte‹, mit dem er am Mordtag in telefonischem Kontakt stand.

 

V-Mann-Führer Andreas Temme

Andreas Temme (Bildmitte)

Und es gibt eine weitere Besonderheit: Nach dem Mord an dem Besitzer des Internet-Cafés Halit Yozgat bricht die rassistische Mordserie ab. Aus der Logik der Täter ist dies nicht zu erklären. Es können nur andere Umstände sein, die dafür ausschlaggebend waren: die »Kasseler Problematik«, vor der Temmes Vorgesetzte gewarnt hatte, in die er »ein bisschen drinstreckt«?

Die Recherche versucht, die vielen, vielen Puzzle, die über die letzten vier Jahre zusammengetragen werden konnte, aneinanderzulegen und auszuwerten.

Nirgendwo – im gesamten NSU-Komplex – kommen sich „Verschwörungstheorie“ und  die Praxis derer, die von „Kasseler Problematik“ fabulieren, so nahe:

Dieser Beitrag findet sich bei „NachDenkSeiten“ vom 11.4.2016:

http://www.nachdenkseiten.de/?p=32915

Dort gibt es auch eine Podcastversion – mit einem ausgezeichneten Einsprecher:

Wolf Wetzel

Der PUA in Hessen – eine teure Waschanlage . Eine Weisssagung

Der PUA in Hessen – eine teure Waschanlage plus: Eine Weisssagung

Dass eigentlich alle Parteien gegen einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss waren, die in den NSU-VS-Komplex verwickelt sind, mit Ausnahme der Partei DIE LINKE, gehört zum Selbstverständnis dieses Parlaments. Schließlich war nach dem Willen der Mitverantwortlichen, all derer, die die politische Verantwortung für die Aufklärungssabotage im Fall des neunten NSU-Mordes tragen, alles ›ausermittelt‹, zu deutsch: nichts herausgekommen, außer … einem unguten Gefühl, das aber auch in Hessen nicht strafbar ist und mit dem alle (Aufklärer) gut leben können.

Andreas Temme (Bildmitte)

Andreas Temme (Bildmitte)

In Kassel ereignete sich am 6. April 2006 der neunte Mord, der dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) zugeordnet wird. Während der Mord an Halit Yozgat aus kriminalistischer Sicht professionell und kaltblütig ausgeführt wurde, scheinen alle Umstände drum herum – wieder einmal – dem puren Zufall geschuldet zu sein. Zu diesem zählt auch, dass abermals ein Mord ins ›ausländische Milieu‹ abgeschoben wurde. Dass »nie Richtung Rechtsextremismus ermittelt wurde« (FR vom 24.11.2011) bekommt im Mordfall Kassel eine besondere Bedeutung. Hätte man dies getan, wäre man u.a. auf den Escortservice des Verfassungsschutzes für Neonazis gestoßen. Was jedoch diesen Mordfall von allen anderen unterscheidet: Ein Verfassungsschutzmitarbeiter war zur Tatzeit in besagtem Internetcafe. Er heißt Andreas Temme, wurde in seiner Jugend auch ›Klein Adolf‹ gerufen und führte auf Duzebene einen Neonazi, der zum NSU-Umfeld zählt, als V-Mann. Benjamin Gärtner. Andreas Temme meldete sich nicht als Zeuge. Als er doch ermittelt wurde, behauptete er, dass er zur fraglichen Zeit nicht dort war. Als sich auch das nicht mehr halten ließ, erinnerte er sich, dass er nichts bemerkt habe, kein Schuss und keinen toten Internetcafebesitzer, der hinter seinem Schreibtisch lag, als Andreas Temme sein Geldstück zurückließ – auf einem Tisch, der voller Blutspritzer war.

 

Theke-Yozgat-Blut-Kassel 2006

Dabei wurde Andreas Temme weder von seinen Kollegen, noch von seinen Vorgesetzten alleine gelassen. Der Versuch, den Neonazi und V-Mann Benjamin Gärtner zu vernehmen, scheiterete am Veto des damaligen hessischen Innenminister Volker Bouffier. An dieser Deckungsarbeit beteiligten sich auch die ›Qualitätsmedien‹: Man kolportierte in Wort und Bild die Tragik eines Mannes, der zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen sei und nun auf kalt- und unbarmherzige Art und Weise Opfer von Zufällen werden sollte. Damit war der Fall Temme in trockenen Tüchern. Und dabei soll es bleiben. Dass sich nun seit Wochen alle ehemaligen und aktuellen Regierungsparteien jede erdenkliche Mühe geben, die aufgezwungene parlamentarischen Aufklärung ganz langsam, ganz ausdauernd, ganz konzentriert gegen die Wand zu fahren, ist quasi ihre Pflicht, ihre echte innere Überzeugung. Dazu gehört ganz besonders der nächste Montag. Den Rest des Beitrags lesen »

24.6.2014 – Veranstaltung zum NSU-VS-Komplex | Die Kassler Problematik

Diskussion mit Wolf Wetzel: „Der NSU-VS-Komplex. Wo beginnt der

Nationalsozialistische Untergrund – Wo hört der Staat auf?“

Die Kassler Problematik . Ein Hessenkrimi.

24. Juni 2014, 19.30 Uhr, Frankfurt

Stadtteilbibliothek Rödelheim, Radilostraße 17-19, 60489 Frankfurt a.M.

 

Andreas Temme (Bildmitte)

Andreas Temme (Bildmitte)

 

 

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Der neunte Mord in Kassel 2006 – Der Schlüssel für das Ende der NSU-Mordserie liegt nicht in Zwickau

Der neunte Mord in Kassel 2006 – Der

Schlüssel für das Ende der rassistischen

Mordserie des NSU liegt nicht in Zwickau

Teil III

In Kassel ereignete sich am 6. April 2006 der neunte Mord, der dem Nationalsozialistischen Untergrund/NSU zugeordnet wird. Dieses Mal wurde der Besitzer des Internet-Cafés Halit Yozgat kaltblütig ermordet. Wie in den vorangegangenen Morden wurde ›zufällig‹ auch dieser ins ausländische Milieu abgeschoben. Wieder aus Zufall wurde »nie Richtung Rechtsextremismus ermittelt« (FR vom 24.11.2011). Ebenso zufällig wurden Täter im familiären und beruflichen Umfeld des Ermordeten gesucht.

Der Mord in Kassel weist zwei Besonderheiten auf: Zur Tatzeit war der hessische Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas Temme in besagtem Internet-Café – selbstverständlich zufällig. Ein Verfassungsschutzmitarbeiter, der den Spitznamen ›Klein-Adolf‹ trug, einen ortsbekannten Neonazi als V-Mann ›führte‹, mit dem er am Mordtag in telefonischem Kontakt stand.

Und es gibt eine weitere Besonderheit: Nach dem Mord an den Besitzer des Internet-Cafés Halit Yozgat bricht die rassistische Mordserie ab. Aus der Logik der Täter ist dies nicht zu erklären. Es können nur andere Umstände sein, die dafür ausschlaggebend waren. Ist es die »Kasseler Problematik«, vor der der Vorgesetzte von Andreas Temme warnte?

Die Tatort(be-)reiniger im Mordfall Kassel. Der V-Mann-Führer Andreas Temme und sein Team.

Andreas Temme (Bildmitte)

Andreas Temme (Bildmitte)

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Der neonazistische Mord in Kassel 2006 und das System der ›Cleaner‹

Der neunte neonazistische Mord in Kassel

2006, der 1001. Zufall und das System der

›Cleaner‹

Teil II

›Cleaner‹ nennt man Spezialisten, deren Beruf es ist, Tatorte und Beweise so präparieren, dass sie zu dem erwünschten Ermittlungsergebnis führen.

In Kassel ereignete sich am 6. April 2006 der neunte Mord, der dem Nationalsozialistischen Untergrund/NSU zugeordnet wird. Dieses Mal wurde der Besitzer des Internet-Cafés Halit Yozgat kaltblütig ermordet. Wie in den vorangegangenen Morden wurde ›zufällig‹ auch dieser ins ausländische Milieu abgeschoben. Wieder aus Zufall wurde »nie Richtung Rechtsextremismus ermittelt« (FR vom 24.11.2011). Ebenso zufällig wurden Täter im familiären und beruflichen Umfeld des Ermordeten gesucht.

Dennoch weist der Mord in Kassel eine Besonderheit auf: Zur Tatzeit war der hessische Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas Temme (dienstlicher Aliasname: Alexander Thomsen) in besagtem Internet-Café – selbstverständlich zufällig. Ein Verfassungsschutzmitarbeiter, der den Spitznamen ›Klein-Adolf‹ trug, einen ortsbekannten Neonazi als V-Mann ›führte‹, mit dem er am Mordtag in telefonischem Kontakt stand.

In diesem Beitrag geht es darum, zu belegen, dass die Nicht-Bereitschaft zur Aufklärung dieses Mordes alles andere als zufällig war und ist. Außerdem belegt dieser Fall sehr eindringlich, dass an der Nicht-Aufklärung, an der Verwischung von Spuren und Beweisen alle Behörden beteiligt waren/sind und – entgegen der Legende vom Behördenwirrwarr- alle an einem Strang zogen, bis heute: Von der Polizei, über den Verfassungsschutz bis hin zum hessischen Innenministerium und der Generalbundesanwaltschaft.

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Der 1001. Zufall oder Beihilfe zu Mord

Der neonazistische Mord an Halit Yozgat in Kassel 2006

Teil I

Im Münchner NSU-Prozeß wird der frühere hessische Verfassungsschützer Andreas Temme am 1. Oktober 2013 befragt: „ Vor gut einem Jahr wurde Temme bereits im Untersuchungsausschuß des Bundestags zur NSU-Mordserie befragt. Dort wurde ihm die Aussage des damaligen Leiters der polizeilichen Sonderkommission vorgehalten, er müsse mit hoher Wahrscheinlichkeit etwas gehört oder gesehen haben. Hessens damaliger Innenminister Volker Bouffier (CDU) hatte direkte Fragen der Polizei an den Verfassungsschützer unterbunden, von dem später bekannt wurde, er habe wegen seiner mutmaßlichen Affinität zu rechtem Gedankengut im Bekanntenkreis den Spitznamen »Klein Adolf« getragen (…) Im Münchner NSU-Prozeß ließen die Angehörigen von Halit Yozgat bereits durch ihre Nebenklagevertreter erklären, daß es ihnen »nicht um ein bestimmtes Strafmaß im Falle einer Verurteilung geht, sondern vor allem darum aufzuklären, warum die angeklagten Taten in dieser Weise geschehen konnten und auch, welchen Anteil staatliche Stellen daran haben«. (Junge Welt vom 30.9.2013)

Es ist zu hoffen, dass Nebenklage und Verteidigung diese Gelegenheit nutzen…