Immer mehr Krieg für den Frieden von immer weniger Menschen

Immer mehr Krieg

für den Frieden von immer weniger Menschen

Ende dieses Jahres hat die deutsche Bundesregierung zugesagt, sich auch militärisch am Krieg in Syrien zu beteiligen, unter Missachtung des UN-Völkerrechts, dafür mit Tornado-Aufklärungsflugzeugen, mit bis zu 1.200 Soldaten, einem Kriegsschiff … und einer übergroßen Mehrheit der im Parlament vertretenen Parteien. Um genau zu sein: mit 74,54 Prozent der abgegebenen Stimmen. Nur die Partei ›Die Linke‹ votierte geschlossen dagegen.
Diesen weiteren Schritt nach vorne, an die Kriegsfronten dieser Welt, nahm die Süddeutsche Zeitung wohl zum Anlass, diese allegorische Inszenierung zu veröffentlichen:

 

Merkel-Krieg-SZ-2015-Netz

Beim ersten Anblick würde man auf deutsche National-Zeitung tippen oder auf einen Aufmacher einer der vielen Pegida-Applikationen. Nein, das braucht die ›Mitte‹ alles nicht mehr. Wir sind mitten in einem vierseitigen Special der Süddeutschen Zeitung, mit dem friedensbringenden Untertitel:

›Killing Fields« (SZ vom 5./6. Dezember 2015)

Auf über vier Seiten werden die LeserInnen in das Schlachtfeld ›Syrien‹ eingewiesen, ein Art Leitfaden für KriegszuschauerInnen. Man wird mit den Begebenheiten des Landes vertraut macht, wer unsere Verbündeten, wer unsere Feinde, wer davon beides sind.
Zu dem Beitrag ›Killing Fields‹, der den LeserInnen den Krieg (nicht hier in Deutschland) und die Beteiligung daran, menschengerecht und wertegeleitet näher bringen will, schrieb Prof. Frank Bliss, Remagen, einen interessanten Kommentar:

»Es soll also ›gegen den IS‹ gehen. Was aber ist der IS? Ist es die Bande, die sich in den Wüsten und Städten Syriens und des Irak herumtreibt? Sind es die Hintermänner des IS, jene Staaten, die dem IS erst ihre salafistisch-wahhabitische Ideologie geliefert haben und ohne die kaum eine islamistisch-terroristische Bande in dieser Welt zu verstehen ist? Geht es also auch gegen Saudi-Arabien, das gerade zudem das Weltkulturerbe Sanaa, die Hauptstadt Jemens, in Schutt und Asche legt? Geht es gar gegen die Türkei, die den deutschen oder amerikanischen Verbündeten, den Kurden, derzeit in den Rücken fällt und lange Zeit hindurch den IS mit Nachschub beliefern ließ? Und wer sind die Verbündeten? Syriens Regime vielleicht, das in den vergangenen Jahren Zehntausende seiner Bürger getötet hat? Die USA, die erst das Chaos im Irak und damit auch in Syrien verursacht haben? Oder wiederum Saudi-Arabien, das weltweit auch weiterhin den Salafismus exportiert und damit Länder wie Nigeria, Mali, Niger oder Mauretanien destabilisiert? Und wird die Bundeswehr in ihrer Nato-Türkei-Nibelungentreue dann bald auch russische Kampfflugzeuge abschießen helfen, die wiederum den IS stoppen wollen und den Kurden und anderen Oppositionsgruppen helfen? (…)«

Freund-Feind-Saudi-Arabien

»Ein bisschen weniger Idylle, etwas mehr Israel«

Dass diese (ökonomischen und ideologischen ) Kriegsanleihen nicht nur die fortgesetzte Zerstörung von Lebensbedingungen (außerhalb Deutschlands) bedeutet, sondern auch eine Kriegsgesellschaft im Inneren braucht, ist so unerlässlich, wie das Nasswerden, wenn man die Dusche anmacht. Und genau deshalb sollte uns all das nicht länger stören oder gar aufregen.
Das will uns kurz vor Jahreswende der Redakteur im Politikressort der ›Zeit‹, Heinrich Wefing, beibringen, wenn er uns in seinem Beitrag Darf’s auch etwas mehr sein? an das heranführen und gewöhnen will, was kommen muss:

»Angesichts der Abkehr der Amerikaner von Europa und dem Nahen und Mittleren Osten müssen wir deshalb unsere Sicherheit künftig selbst garantieren. In einem Ausmaß, das noch vor wenigen Jahren undenkbar schien und völlig quer steht zum habituellen Pazifismus der Republik. Der eben erst beschlossene Einsatz in Syrien ist da vermutlich allenfalls ein Anfang. (…) Alles spricht dafür, dass wir künftig mehr Polizisten brauchen, mehr Richter, mehr Lehrer, vermutlich auch mehr Soldaten und Spione. Und mehr heißt jeweils: viel mehr. Wir reden nicht von einer Handvoll zusätzlicher Sozialarbeiter und Staatsanwälte hier und da, sondern eher von Hundertschaften. (…) Wir werden, nur zum Beispiel, in der Bundesrepublik irgendwann nicht mehr um die Debatte herumkommen, ob wir in der Nachrichtengewinnung auf Dauer von den Amerikanern, Briten und Franzosen abhängig bleiben wollen – und dann als Bittsteller im Zweifel auch deren Regelbrüche zu akzeptieren haben. Oder ob eine Macht in der Mitte wie Deutschland nicht auch bei der Aufklärung souverän werden muss, halbwegs jedenfalls, was bedeuten würde, gegen alle antrainierten politischen Reflexe die Geheimdienste auszubauen. (…) Vermutlich wird das auch bedeuten, dass wir uns in einer neuen, mürrischen Gelassenheit üben müssen. Dass wir uns an das Lästige des Alltags im Schatten der Gefahr gewöhnen werden. An Sicherheitskontrollen vor Bahnhöfen und Behörden, an Leibesvisitationen vor Konzerten und Kaufhäusern. Anders, zugespitzter gesagt: Ein bisschen weniger Idylle, etwas mehr Israel. Niemand will das, niemand mag das, aber kaum jemand wird es als unerträglich empfinden, solange die Bedrohung existiert. Und das kann noch lange sein.«

Dass für die Bedrohung gesorgt wird, noch sehr lange, da macht sich der Autor keine Sorgen. Er besteht geradezu darauf!

Vor die Hunde gehen – mit mürrischer Gelassenheit

Ende der 20er Jahre hatte Erich Kästner, den viele als Kinderbuchautor kennen, das Buch ›Vor die Hunde gehen‹ geschrieben. Was ihn dazu getrieben hatte, hat er 1946 in einem Vorwort beschrieben – nachdem alles so kam:

»(Mit dem Titel) sollte, schon auf dem Einband, deutlich werden, dass der Roman einen Zweck verfolgt. Er sollte warnen. Er wollte vor dem Abgrund warnen, dem sich Deutschland und damit Europa näherten. Er wollte mit angemessenen, und das konnte in diesem Fall nur bedeuten, mit allen Mitteln in letzter Minute Gehör und Besinnung erzwingen. (…) Die große Arbeitslosigkeit, die der wirtschaftlichen folgende seelische Depression, die Sucht sich zu betäuben, die Aktivitäten bedenkenloser Parteien, das waren die Sturmzeichen der nahenden Krise. Und auch die unheimliche Stille vor dem Sturm fehlte nicht, – die einer epidemischen Lähmung gleichende Trägheit des Herzens. Es trieb manche, sich dem Sturm entgegenzustellen. Sie wurden beiseitegeschoben. Lieber hörte man den Jahrmarktschreiern und Trommlern zu, die ihre Senfpflaster und Patentlösungen anpriesen. Man lief ihnen nach, hinein in den Abgrund, in dem wir nun, mehr tot als lebendig, angekommen sind.« (Der Gang vor die Hunde, Atrium Verlag Zürich 2015, S. 239/40)

Dieses Buch fiel Ende der 20er Jahre in Teilen der Selbstzensur seines Verlages zum Opfer. Selbst der Titel: Gang vor die Hunde, durfte nicht bleiben. Er wurde durch den belanglosen Namen Fabian ersetzt.
Ein Beispiel unter vielen aus dieser Zeit. Anstatt sich dem Drohenden in den Weg zu stellen, wollte man alles, nur nicht stören. Das hat mit dazu beigetragen, dem deutschen Faschismus den Weg zur Macht freizumachen.
Wer erklären kann, dass sich nichts davon wiederholt, sollte sich schleunigst zu Wort melden.
Wolf Wetzel

Der Rechtsstaat im Untergrund. Big Brother, der NSU-Komplex und die notwendige Illoyalität“, PapyRossa Verlag,2015

 

»Als sprachlicher oder künstlerischer Ausdruck ist eine Allegorie von vorneherein auf ihre Deutung hin konstruiert. Vom Hörer oder Betrachter erfordert die Allegorie einen Gedankensprung (…) vom (…) bildlich Dargestellten zur gemeinten Bedeutung. Wenn der Betrachter nicht vertraut ist mit den geistigen oder historischen Zusammenhängen, aus denen die Allegorie heraus konstruiert wurde, bleibt ihm ihr Sinn oft verborgen.« (Wikipedia)
Man kann jetzt vielleicht leichter erahnen, aus welchen »geistigen oder historischen Zusammenhängen« sich diese herrliche Allegorie speist.

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