1984 plus 33. Teil II: Das Blog-Wartsystem

Der erste Teil dieses Beitrages beschäftigte sich mit dem Buch „1984„, das Ende der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts geschrieben wurde. Welche Realitäten nimmt der Roman auf? Was ist sein fiktionaler Anteil? Wie funktioniert diese Diktatur, welche Merkmale zeichnet sie aus? Und kann man mit dieser Matrix das einordnen, was sich in den letzten 60 Jahren verändert hat?

Der zweite Teil greift einen wesentlichen Bestandteil der Dystopie auf: die Gedankenpolizei.

Hat sich diese bewahrheitet und wenn ja, in welcher Gestalt tritt sie uns entgegen?

 

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Das Ende dieses Beitrags kommt auf die anfangs gestellten Fragen zurück. Können wir jenseits der täglichen neuen (Fake-)News und fliegenden Wechsel jetzt besser beantworten, was Trump bzw. der Trumpismus (nicht) ist?

Die „Gedankenpolizei“ in 1984 bekommt 2017 den Namen „Correctiv“

Wer hätte das gedacht: Auch auf Facebook, das als „soziales Netzwerk“ ausgewiesen und missverstanden wird, gibt es Wahres und Unwahres, Richtiges und Falsches, Umstrittenes und Anstößiges, Überprüfbares und Spekulatives. Kurz zusammengefasst: Auch dort gibt es das, was es überall in den Medien gibt, ob man sie für sozial, öffentlich-rechtlich oder profitabel hält: Halbwahrheiten, Lügen, Falschmeldungen – und wer das besser versteht: „Fake News“.

Alles weitere:

Teil II: http://www.nachdenkseiten.de/?p=37218

Publiziert auf NachDenkSeiten am 1.3.2017

Wolf Wetzel

1984 – plus 33

Einleitung

Der Multimilliardär Trump wurde in den USA zum Präsidenten gewählt, der sich als Anti-Establishment präsentiert und dem Volk die Macht zurückgeben will. Er zeigt Terminator-Qualitäten und läßt das Volk wissen, dass er auf der Straße auch jemanden erschießen könne, ohne eine Stimme zu verlieren. Er hat anscheinend eine treue Anhängerschaft, die auch ihren eigenen Tod in Kauf nimmt. Ein anderer Teil der amerikanischen Gesellschaft geht auf die Straße. Und der überzeugte Vietnam-Veteran und Befürworter des Irakkrieges 2003 John McCain verteidigt die von Trump als „Fake-News-Medien“ bezeichnete Presse als einen Bestandteil der Demokratie: „Ihre Einschränkung sei ‚wie Diktaturen anfangen’, so McCain. Der politische und gesellschaftliche Kompass scheint wirr auszuschlagen, das Bedürfnis ist entsprechend groß, den Trumpismus einzuordnen.

Vielleicht ist das auch ein Grund, warum George Orwells ‚1984’ in den USA neue Verkaufsrekorde verzeichnet. Eine Horrorvision von einer allseits überwachten und von Angst erfassten Gesellschaft. Im Sommer soll ‚1984’ als Musical auf die Bühne des New Yorker Broadways kommen. Eine gute und notwendige Form, sich mit diktatorischen Systemen auseinanderzusetzen?

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Der erste Teil dieses Beitrages beschäftigt sich mit dem Buch, das Ende der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts geschrieben wurde. Welche Realitäten nimmt der Roman auf? Was ist sein fiktionaler Anteil? Wie funktioniert diese Diktatur, welche Merkmale zeichnet sie aus? Und kann man mit dieser Matrix das einordnen, was sich in den letzten 60 Jahren verändert hat?

publiziert auf NachDenkSeiten am 23.2.2017: 1984 plus 33

ÜBERWACHUNGSSTAAT |Orwells „1984“ plus 32

Orwells „1984“ plus 32

Vom 30. Juli bis zum 5. August 2016 hatte das internationale Treffen des Europäischen BürgerInnenforums (EBF) in der Longo-mai-Kooperative in Südfrankreich stattgefunden.

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Über 400 Eingeladene aus 30 Ländern nahmen an dem Treffen teil. Es fanden verschiedene Kommissionen und Workshops statt, mit Themen wie „Krise und Ideologie“, „Komplizierter Orient“, „Perspektiven der aktuellen Widerstände“, „Flucht in den Überwachungsstaat“ …

 Dazu ein Beitrag aus dem Plenum „Ausnahmezustand – die Flucht in den Überwachungsstaat“. Dort sprachen Eberhard Schultz, Menschenrechtsanwalt aus Berlin; Bernard Schmid, Jurist und Journalist aus Paris; Mathieu Rigouste, französischer Soziologe, und Wolf Wetzel, Autor aus Frankfurt am Main.

Hier der Redebeitrag von Wolf Wetzel:

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Der Rechtsstaat im Untergrund | Eine Rezension

Verschwörungspraxis

Herrschaftssprache überdenken: Wolf Wetzels Buch »Rechtsstaat im Untergrund – Big Brother, der NSU-Komplex und die notwendige Illoyalität«
Von Claudia Wangerin
Mehr oder weniger harmlose Geheimnisse vor dem Staat zu haben, das wird für Normalsterbliche immer schwieriger, wenn sie moderne Kommunikationsmittel nutzen. Das ist spätestens seit Edward Snowdens Enthüllungen über die Massenüberwachung durch den US-Geheimdienst NSA bekannt. Die deutschen Regierungen, so der Publizist Wolf Wetzel, »sind nicht Opfer, sondern integraler Bestandteil dieses totalitären Überwachungssystems«. Umgekehrt nimmt sich der Staat heraus, jede Menge dunkler Geheimnisse vor seinen Bürgern zu haben. Das wissen alle Interessierten spätestens seit Bekanntwerden der Aktenvernichtung im Bundesamt für Verfassungsschutz kurz nach der Aufdeckung des terroristischen »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU).
Nur wer beide Geheimdienstskandale zusammen denkt, kann die volle Tragweite jedes einzelnen begreifen. Das hat Wolf Wetzel in seinem Buch »Rechtsstaat im Untergrund – Big Brother, der NSU-Komplex und die notwendige Illoyalität« herausgearbeitet, das im PapyRossa Verlag erschienen ist.

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Wann hat ›1984‹ angefangen? – Über Horrorvision und Realität

Wann hat ›1984‹ angefangen? – Über Horrorvision und Realität

Die Frage, ob ein Überwachungsstaat die Demokratie schützt oder unter sich begräbt, stellt sich nicht erst mit den ›Enthüllungen‹, die dank des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden an die Öffentlichkeit gelangten. Dokumente, die belegen, dass die technischen Mittel zur totalen Überwachung und der politische Wille, diese auszuschöpfen, eins geworden sind.
Was der in den 1940er Jahren verfasste Roman ›1984‹ von George Orwell vorweggenommen hatte, war im Deutschland der 1970er und 1980er Jahre Gegenstand einer heftigen Debatte. DER SPIEGEL widmete 1983 dieser Auseinandersetzung eine Titelgeschichte:

»Auf dem Weg in den Überwachungsstaat | Die Gefahren des ›großen Bruders‹ sind nicht mehr bloß Literatur. Sie sind nach dem heutigen Stand der Technik real.« (Der Spiegel vom 10. Januar 1983)

 

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Was damals bereits möglich, was damals diskutiert, was damals gedacht wurde, ist Gegenstand dieses Beitrages.

Der ›deutsche Herbst‹ oder die bleiende Zeit

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15.2.2013 – Veranstaltung ‚Der Nationalsozialistische Untergrund und der deutsche Staat

Der „Nationalsozialistische Untergrund“ und der deutsche Staat

 Veranstaltung mit Wolf Wetzel am 15. Februar 2013, 19 Uhr, im „Trotz Allem“, Witten, Augustastraße 58

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Pimp my Überwachungsgrund

aus: Telepolis – Teil II vom 13.Oktober 2009

Twister (Bettina Winsemann)

Die Posse um den hessischen Verfassungsschutz-V-Mann „123“ geht in die nächste Runde. Teil 2: Zurück zum Rechtsstaat? Bloß nicht!

Wer will denn schon etwas begründen?

Das vom Verwaltungsgericht Berlin gefällte Urteil ist in seinen Aussagen sehr deutlich und müsste, wie Wolf Wetzel in seinem Blog darlegt, für das Bundesinnenministerium eigentlich eine Abkehr von seiner bisherigen Praxis bedeuten:


Das Urteil hält unmissverständlich fest, dass die (gängige) Praxis des Verfassungsschutzes, einen massiven Eingriff in Grund- und Schutzrechte mit ‚formelhaften‘ Satzbausteinen (‚eine Aufklärung des Sachverhalts (ist) allein mit anderen nachrichtendienstlichen Mitteln nicht möglich‘) zu begründen, rechtswidrig ist. Darüber hinaus, und das ist in der Tat für gesamte V-Mann-Praxis des VS von erheblicher Bedeutung, weist das Gericht die Standardbegründung von VS/BMI zurück, eine nachvollziehbare Überprüfbarkeit von V-Mann-Erkenntnissen gefährde den Schutz des V-Mannes, den Verfassungsschutz und summa summarum die Bundesrepublik Deutschland. Für den Wahrheitsgehalt von V-Mann-Erkenntnissen bürge nicht die Glaubwürdigkeit des Präsidenten des Verfassungsschutzes, sondern einzig und allein eine überprüfbare ‚Darstellung sämtlicher erfolglos eingesetzter nachrichtendienstlichen Mittel und die fehlenden Erfolgaussichten nicht eingesetzter nachrichtendienstlicher Mittel“. Folglich müsse jede Anordnung ’substantiiert und nachprüfbar begründet‘ werden, was selbstverständlich auch die Überprüfbarkeit und Verifizierbarkeit von ‚tatsächlichen Anhaltspunkten‘ einschließt.

Dass eine derart selbstverständliche Anforderung an rechtstaatliche Prinzipien bei den Sicherheitsapologeten tatsächlich zu fast schon empörten Reaktionen führt, zeigt auch, wie weit sich gerade jene, die von sich behaupten, die (innere) Sicherheit bewahren oder schützen zu wollen, von den Grenzen, die ihnen der Rechtstaat setzt, entfernt haben bzw. wie sie diese mühelos und ohne Schuldeinsicht überschreiten. Schon alleine das simple Begründen von Grundrechtseingriffen, so dass diese nachvollziehbar werden, stellt für die Herren der Sicherheit eine Zumutung dar, wie im Berufungsschreiben des Bundesinnenministeriums vom 16.9.2009 deutlich wird:


Diese Konkretisierung ist völlig neu und ist mit einer historischen, wörtlichen und teleologischen Auslegung von § 4 G 10 a.F. kaum zu begründen. Diese Konkretisierung schießt weit über das Erfordernis einer substantiierten Darlegung hinaus. Eine solch detaillierte Darlegung würde, wenn man sie ernst nehmen würde, die Offenbarung der eigenen operativen Schwächen erfordern; was kaum vom G 10 gefordert sein dürfte.

Selbst ist der Beweisfälscher

Doch nicht nur in Deutschland fühlt sich so mancher wie in einem schlechten Film, wenn er sieht, wie sich diejenigen, die sich über die zunehmende Kriminalität echauffieren, nicht zu schade dafür sind, die von ihnen stets wieder und wieder lancierten Warnungen oder durchgeführten Maßnahmen mit eigenhändig gefälschten „Beweisen“ zu unterfüttern.

In Kanada erfindet ein Minister schon einmal einen Fall, um die Vorratsdatenspeicherung salonfähig zu machen, in Dänemark übersetzt das erfindungsreiche Militär ein Buch ins Arabische, um dann dessen Gefahr daran festzumachen, dass es bereits (vermeintlich) von al Qaida ins Arabische übersetzt wurde und hier in Deutschland schreibt das BKA die Botschaften selbst, die es vor Gericht als Beweis anführt. All diesen Fällen ist gemein, dass die Verantwortlichen keineswegs dazu Stellung nehmen oder gar ihr Verhalten einmal als das ansehen, das es ist: ein eklatanter Betrug am Volk, dem stets eingetrichtert wird, es möge doch Vertrauen in die Regierungen, in die Volksvertreter und in die Strafverfolgungsbehörden haben. Werden neue Befugnisse gefordert, so wird dieses Volksvertrauen eingefordert als gäbe es nie einen Grund, dieses nicht zu haben. „Blindes Vertrauen“ in Reinkultur, und noch dazu, obgleich es sich schon oft genug als Vertrauen in die Falschen herausgestellt hat.

Gefahr für die Innere Sicherheit

Was solche „Stunts“ für die Innere Sicherheit bedeuten, ist nachvollziehbar: Zusammen mit einer ausufernden Gesetzesflut weichen sie das Vertrauen in das Machtgefüge, das die Demokratie mit am Leben hält, nicht nur auf – sie zerstören es. Die immer vager werdenden Straftatbestände, die, zusammen mit der Logik „bei wem nichts gefunden wird, der war bisher nur zu clever“, jedes Verhalten zu einem Vabanquespiel machen, führen dazu, dass die Einhaltung der Regeln immer stärker ignoriert wird. Wer sowieso nicht mehr steuern kann, ob, wann und wieso er ins Fadenkreuz der Überwachung mit all den negativen Begleiterscheinungen gerät, der wird früher oder später zu einer „nichts-zu-verlieren“-Haltung finden. Wer nicht mehr sehen kann, ob, wann und wie er gegebenenfalls gegen Gesetze oder Verordnungen verstößt, der ignoriert diese Gefahren. Wenden sich aber zu viele von der Bevölkerung von den Regelungen ab, die die Demokratie und den Rechtstaat mit ausmachen, so bedarf es von Seiten der Sicherheitsapologeten erneuter oder verstärkter Regelungen – und deren möglichst drastische Durchsetzung. Solche eine Endlosspirale der Aufrüstung im Land mündet irgendwann in Diktatur oder Anarchie. Doch genau diese Gefahr, wie auch der Gefahr der sozialen Unruhen, wird von denen negiert, die andere Gefahren gerne auch einmal erfinden. Denn wenn diese Gefahren existent sind, dann stellt sich die Frage, warum hier „Pimp my Terrorwarnung“ oder „Pimp my Überwachungsgrund“ gespielt wird.

Das ergangene Urteil ist in Zeiten, in denen sich die Sicherheitsbewahrer des Rechtstaates, wie sie sich selbst deklarieren, während sie den Rechtstaat systematisch missachten und aushöhlen, umso wichtiger. Kein Wunder also, dass das Bundesinnenministerium es als Gefahr sieht. In diesem Fall handelt es sich sogar einmal um eine reale Gefahr.

Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31286/1.html