Erklärung zu dem Ende unserer Mitarbeit beim Onlinemagazin „Rubikon“

von Bernard Schmid, Markus Mohr und Matthias Reichelt

Berlin/ Paris, den 14. Mai 2018

„Erklärung zu dem Ende unserer Mitarbeit beim Onlinemagazin „Rubikon“

Mit Interesse haben wir im vergangenen Jahr den Start des Onlinemagazins Rubikon verfolgt und dieses Medium auch mit ein paar kostenfrei zur Verfügung gestellten Beiträgen unterstützt.

Am 28. April wurden wir von Rubikon darüber informiert, dass am 24. April 2018 der Psychiater und  Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz in den Beirat seines Onlinemagazins berufen worden ist.

URL: https://www.rubikon.news/beirat

Von einem Autor wird diese anscheinend ohne Abstimmung mit den anderen Mitgliedern des Beirates getroffene Entscheidung auf Rubikon als „Rückenwind“ für das Onlinemagazin bejubelt.

Da ist in beunruhigender Weise etwas daran, wir jubeln aber gerade deshalb nicht mit.

Auf die von Jens Wernicke hier in der Personalie Maaz vermutlich einsam getroffene Entscheidung haben wir zunächst mit Irritation und dann mit Verärgerung reagiert. Die Gründe dafür wollen wir der Öffentlichkeit nicht vorenthalten, sie sind politisch wichtig.

Über das publizistische Lebenswerk von Maaz sind wir nicht im Einzelnen orientiert, wir erlauben uns dazu auch kein Urteil. Allerdings ist er einer der prominenten Unterzeichner der „Erklärung 2018

Bei diesem überschaubaren Text handelt es sich um ein bedeutendes Manifest der politischen Rechten der BRD. Er wird von Rechtskonservativen, Deutschnationalen, Völkischen, Rassisten bis hin zu Faschisten unterstützt. In seinem Wortlaut baut er mit dem Schlüsselbegriff einer „illegalen Masseneinwanderung“, die es in der BRD auch heute noch geben soll, auf einer klaren Lüge auf. Denn es gab nie eine illegale Masseneinwanderung und gibt sie auch heute nicht. Die „Erklärung 2018“ hat also mit der politischen Realität dieses Landes weder früher noch heute zu tun. Hunderttausende von Flüchtlingen, die damals auch die BRD erreicht haben, sind nicht „illegal“ eingewandert, sondern haben ihr Recht auf Migration wahrgenommen, um Krieg, Armut und schlechten Lebensbedingungen zu entkommen. Die gegen die Flüchtlinge gespitzte „Illegalitäts-„Lüge wird von den Textverfasserinnen mit der Suggestion, dass „die rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt“ werden müsste, knallhart mit einer Law- and Order-Perspektive verschraubt.

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Über Macht- und Entscheidungsstrukturen „alternativer Medien“

Der Rubikon ist überschritten – in sieben Etappen

Ich habe von Anfang an das Projekt „Rubikon“ getragen und unterstützt. Ich bin in die Redaktion miteingestiegen. Ich bin im September 2017 ausgetreten, weil die politischen und persönlichen Differenzen mit Jens Wernicke zu groß wurden. Ich blieb Autor von zwei Kolumnen, in der Hoffnung, mit diesem Abstand der Idee treu zu bleiben und Zeit zu haben für einen besseren Umgang, für die Schaffung von Strukturen, die nicht immer in einen Konflikt Jens Wernicke versus X münden.

Im Januar 2018 gab ich auf und beendete meine Autorenschaft. Es hat mich viel Kraft gekostet, an „Rubikon“ mitzuarbeiten und viel Kraft, jetzt auszusteigen.

Rubikon ist eine Online-Portal, das Anfang 2017 ins Netz, also an die Öffentlichkeit ging. Die Idee war, nicht nur die privat-öffentliche Medienlandschaft zu kritisieren, deren Inhalte man müde war, sondern dem etwas Besseres entgegenzusetzen, ganz nach dem anpackenden Motto von Erich Kästner: „Es passiert nichts Gutes, außer man tut es“.

Ich war von der Idee angetan und habe die Plattform für die „kritische Masse“ von Anfang unterstützt.

Und da man nicht gerade neu auf der Welt ist, wusste ich, dass es auch bei diesem Projekt Anlaufschwierigkeiten, Holprigkeiten, Fehler und notwendige Streits und erkämpfte Klärungen geben wird:

Ich hatte dir (Jens Wernicke, d.V.) in einem unserer letzten Telefonate zu dieser Problematik gesagt, dass das gute Projekt einen notwendigen „Geburtsfehler“ hat. Du hast das meiste in die Wege geleitet, die anderen haben nur „zugearbeitet“. Irgendeiner deiner Freunde hat in einer Mail geschrieben: ‚Du bist der Kapitän auf der Kommandobrücke und wir (deine Freunde) die Ruderer.‘

Es ist – wie Du mal geschrieben hast – „Dein Haus“, das du dir von niemand nehmen lassen willst.

Ich weiß, wie schwer es ist, aus der Ausgangsposition herauszukommen und nicht nur „Gäste“ zur Mitarbeit – bei Wohlgefallen – einzuladen. Ich habe Dir auch gesagt, dass die Angst, das Haus wird dir weggenommen, einer Gefahr um die Null gleicht. Du bist Gesellschafter und Geschäftsführer – von den Machtbefugnissen hast du alles in der Hand! Das solltest du wirklich mal begreifen. Ansonsten bekomme ich immer wieder das Gefühl, dass ich geschätzt und gebraucht werde, wenn es dir passt, ansonsten wird mein Engagement als „Spiegelfechterei“ disliked.

Genau das hast du (und ich) bei NDS erlebt. Das ändert man aber nicht, indem man diese Machtstrukturen reproduziert und potenziert: Geschäftsführer und Chefredaktion in einer Person und dann ein Team …. (wo gab und gibt es so etwas).“ (E-Mail vom 28.5.2017)

Plakate-Netz

 

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Es reicht. Der Rubikon ist überschritten.

 

Es reicht | Der Rubikon ist überschritten.

Ich habe die Idee von „Rubikon“, ein streitfähige und nicht-autoritäre Plattform von Anfang an begrüßt und unterstützt. Ich habe die Kinderkrankheiten von Rubikon mitgetragen. Ich habe versucht, an einem Redaktionsstatus mitzuarbeiten, das nicht die Machtanhäufung zementiert, sondern einem Vorhaben substanzielle Rechte einräumt, die zumindest die Richtung einer „Gleichberechtigung“ einschlagen – vergebens.

Ich habe mich von Anfang an dafür eingesetzt, auch „schlechte“ Beiträge zu publizieren, um in der Widerrede zu bestehen und ggf. zu glänzen, anstatt im unüberprüfbaren Rechthaben.

Ich habe eklatante Missachtungen geschluckt, die die bescheidenen Rechte der Redaktion außer Kraft gesetzt haben.

Ich habe das Angebot einer stellvertretenden Chefredaktion ausgeschlagen, da ich fest davon überzeugt bin, dass wir uns nicht nur an „anderen“ Inhalten messen lassen müssen, sondern auch an Strukturen, die sich deutlich und erkennbar von denen unterscheiden, die den herrschenden Mainstream tragen und möglich machen.

Rubikon-Schrift

Ich habe mit Erschrecken das Interview zwischen Rubikon und Ken Jebsen/KenFM vom 19.1.2018 (https://www.rubikon.news/artikel/schluss-mit-lustig) gesehen, das Falschaussagen, historisch haarsträubende Vergleiche Platz gegeben hat, ohne naheliegende Nachfragen zu stellen, ohne sich für diesen denunziatorischen Umgang zu entschuldigen. Innerhalb weniger Minuten wurden alle eigenen Wertsetzungen über den Haufen geworfen.

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Wenn erfolgreiche Terroranschläge nützlicher als ihre Verhinderung sind

Der „Fall Amri“

Er ist wieder in den Schlagzeilen. Es handelt sich dabei um den am 19. Dezember 2016 begangenen Terroranschlag in Berlin. Ein LKW fährt mitten in den gut besuchten Weihnachtsmarkt und tötet insgesamt zwölf Menschen, Dutzende werden zum Teil schwer verletzt. Tags darauf ist von einem Anschlag mit islamistischem Hintergrund die Rede. Im LKW findet man einen Ausweis. Wenig später wird Anis Amri in Italien von Polizisten erschossen. Amri war in Deutschland kein „unbeschriebenes Blatt“. Verschiedene Behörden hatten ihn „auf dem Schirm“, beobachteten und observierten ihn, bis man die Spur verlor.

Der Fall Amri hat zahlreiche Vorläufer. Er ist nicht nur voller Merkwürdigkeiten, Ungereimtheiten und Pannen. Die Manipulationen und Unterschlagungen von Beweismitteln konzentrieren sich genau dort, wo Überwachung in aktives Gewährenlassen übergeht. Parallelen zum NSU-Komplex drängen sich auf.

Warum wurden die strafrechtlichen Möglichkeiten im Fall Amri nicht genutzt? Warum verwischt man Spuren? Warum nutzte man nicht das Wissen eines V-Mannes, der vor Amri als „gefährlichem Islamisten“ gewarnt hatte? Warum stachelte genau dieser V-Mann Amri zu Anschlägen auf? Warum wurde die Observation von Anis Amri offiziellen Angaben zufolge abgebrochen? Wer hat dies veranlasst?

Auf die beiden letzten Fragen antwortete der Kriminaldirektor Golcher, Chef der eingerichteten Task Force, vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Berlin nicht. Dafür hätte er keine „Aussagegenehmigung“. Lupenrein.

Um diese Farce zu verstehen, muss man wissen, dass die Task Force der Polizei „jeden Stein umdrehen“ (Innenstaatssekretär Torsten Akmann) sollte. Dafür bekam sie den Namen „Lupe“.

Das Drehbuch hatte zwar satirereife Pointen, ist aber nicht besonders originell. Man kennt es aus anderen, ähnlich gelagerten Fällen.

Natürlich kann all dies eine unglückliche Verkettung von noch unglücklicheren Zufällen sein. Was aber, wenn ein „anschlagsbereiter“ V-Mann kein Zufall ist, die Manipulation von Beweismitteln keinem Zufallsprinzip folgt, sondern einem behördlichen/geheimdienstlichen Vorgehen?

Es liegt in der „Natur der Sache“, dass es auch im Fall Amri kein voll umfängliches Geständnis geben wird, das den Beweis erbringt, dass Ermittlungsziele und Vorgehensweisen diesen Terroranschlag haben geschehen lassen, dass der Schutz von Strukturen, Wissen und rechtswidrigen Geheimdienstmethoden gelegentlich mehr wiegt, als die Verhinderung eines solchen Terroranschlages.

Normalerweise begnüge ich mich damit, mit den noch vorhandenen Indizien nachzuweisen, dass die offizielle Version die unwahrscheinlichste ist, um es den LeserInnen zu überlassen, die Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.

In diesem Fall möchte ich einen anderen Weg gehen: Ich nehme die Hypothese zum Ausgangspunkt, dass dieser Terroranschlag hätten verhindert werden können und fülle sie mit den Fakten, die bisher öffentlich wurden. Wenn man diesem Weg folgt, wird man überrascht sein, wie weit man damit kommt:

https://www.rubikon.news/artikel/der-fall-amri-und-seine-vorlaufer

 

 

Rechtspopulismus versus Linkspopulismus

Ist Rechtspopulismus eine Gefahr und Linkspopulismus eine Chance? Eine Strategiedebatte.

Wolf Wetzel

Das Wort „Rechtspopulismus“, mehr ein Fächer als ein Begriff, hat seit ein paar Jahren Hochkonjunktur. Die etablierten Parteien benutzen ihn besonders gerne und beliebig, wie ein Unkrautvernichtungsmittel, um rechts von ihnen nicht viel hochkommen zu lassen.

Auch viele antirassistische und linke Gruppen reden von „Rechtspopulisten“, wenn sie Parteien wie die AfD zu markieren versuchen und viel Kraft darauf verwenden, diese Partei zu bekämpfen.

Denselben Schärfegrad hat das Wort „Linkspopulismus“. Es fällt nicht besonders häufig, da links von den etablierten Parteien nicht viel kleinzuhalten ist. Manchmal trifft es die Partei „DIE LINKE“, wenn man sie einmal erzieherisch zurechtweisen will.

Libertat-Netz

Viel häufiger ist der Ruf nach einem „Linkspopulismus“ aus dem linken Spektrum zu hören. Als „leuchtende“ Beispiele werden dafür die Politik des Labour-Party-Vorsitzenden Jeremy Corbyn in England oder die politische Programmatik von Bernie Sanders in den USA angeführt. In dieses Feld gehört auch die katalanische Unabhängigkeitsbewegung, die gerade für große Schlagzeilen und einige Fragezeichen sorgt.

Deshalb widmet sich der zweite Beitrag für Rubikons „Werkzeug- und Prämissenkiste“ diesem Thema: https://www.rubikon.news/artikel/rechts-versus-linkspopulismus

Das Ultimatum an die katalonische Regionalregierung läuft

Wir setzen die Debatte um das Unabhängigkeitsbestreben Kataloniens fort:

Im ersten Teil ging es darum, in überschaubarem Umfang die katalanische Unabhängigkeitsbewegung zu beschreiben: „Kann man einen (katalanischen) Nationalismus links wenden?

Der zweite Teil ging dem gewichtigen Einwurf nach, ob der Blick auf die letzten zehn Jahre viel zu kurz gegriffen sei: https://www.rubikon.news/artikel/unabhangigkeit-fur-katalonien

 

In diesem dritten Teil geht es darum, hinter den Rauch zu schauen, der immer dichter wird.

Auf das Angebot der katalonischen Regierung, mit der Zentralregierung zu verhandeln, kam ein Ultimatum: Bis zum Montag, den 16. Oktober 2017 verlangt Madrid eine schriftliche Erklärung, ob Katalonien seine Unabhängigkeit erklärt habe. Sollte dies der Fall sein, werde die Zentralregierung die Regionalregierung absetzen und die Zwangsverwaltung in die Wege leiten.

Die Uhr tickt, die Gerüchte über gegenstandslose und doch geführte Verhandlungen nehmen zu … und es bleibt dennoch Zeit, hinter den Rauch zu schauen.

Zerrinnende Zeit-Dali

Raul Zelik hat auf häufig gestellte Fragen und die Tatsache, dass das Für und Wider einer Unabhängigkeit auch durch die Linke (in Deutschland) geht, mit dreizehn Thesen reagiert.

Raul Zelik schätze ich. Er hat einige Bücher geschrieben, die diesen Konflikt berühren, wie zum Beispiel „Mein bewaffneter Freund“, in dem es auch um die baskische Unabhängigkeit geht.

Er hat sich sehr oft politisch Stellung genommen und sich politisch eingemischt.

Raul Zeliks Thesen sind deshalb wichtig, weil sie einen Teil meines Herzens berühren. Natürlich wünscht man sich einen politischen Prozess (auch in Katalonien), der über einen Nationalismus, über eine Ethnisierung der sozialen Fragen hinausgeht. Noch mehr wünscht man sich, dass diese Teilmengen im Lauf eines politischen, vielleicht sogar revolutionären Prozesses herausgespült werden – was wir in vielen politische Bewegungen erlebt und unterstützt haben.

Und selbstverständlich ist es eine Wohltat, wenn überhaupt einmal in Europa der Wind „links“ weht, und die zentrale Konfliktlinie nicht zwischen Innen (Inländer) und Außen (Ausländer/Flüchtlinge), sondern zwischen Oben und Unten verlaufen würde.

Und es gibt auch die andere Seite, die mit diesen Sympathien, Erfahrungen und Enttäuschungen erst entstanden ist: Das Misstrauen gegenüber „nationale Unabhängigkeitsbewegungen“, in denen „David“ gegen „Goliath“ tapfer kämpft, ohne zu sagen, wer „David“ ist und was „David“ im Detail von „Goliath“ unterscheidet, außer dass er viel kleiner ist …

Deshalb ist beides wichtig: Die Begeisterung für einen solchen politischen Prozess und die unangenehmen Fragen!

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Kann man einen (katalanischen) Nationalismus links wenden?

Kann man einen (katalanischen) Nationalismus links wenden?

Wenn über zwei Millionen Menschen zu einer verbotenen Wahl gehen.

In Katalonien fand am 1.Oktober 2017 ein Referendum zur Unabhängigkeit statt. Die Zentralregierung erklärte es für „illegal“. Dennoch fand es statt, trotz massiver Polizeigewalt. Wie geht es weiter?

Los-militares-Netz

 

In Katalonien fand am 1.Oktober 2017 ein Referendum zur Unabhängigkeit statt. Die Zentralregierung verbot die Durchführung eines solchen Begehrens, drohte mit Repressionen und machte sie wahr: Vierzehn Mitglieder der katalanischen Regionalregierung wurden festgenommen und zur Unterstützung wurden knapp 10.000 Polizisten nach Katalonien entsandt, um einen weiteren Schritt Richtung Abspaltung zu verhindern.

Von diesen Drohungen ließen sich weder die Regionalregierung noch die Wahlwilligen einschüchtern. Viele Wahllokale wurden von BürgerInnen geschützt, indem sie sich vor die Zugänge setzten, um ein gewaltsames polizeiliches Vorgehen zu erschweren.

In welcher politischen Zwickmühle die Zentralregierung steckt, ergibt sich alleine daraus, dass die meisten „Prognosen“ eine Niederlage des Befürworterlagers voraussagten. Wenn diese Prognosen tatsächlich die Meinung der Bevölkerung abbilden sollten, stellt sich doch die Frage: Warum hat dann die Zentralregierung nicht das Scheitern des Referendums abgewartet, um die Unabhängigkeitsbewegung mit ihren eigenen Waffen zu schlagen?

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G20-Gipfel in Hamburg und der politische Kassensturz

Über Gipfel und Niederungen

Mindestens 130 Millionen Euro und über 20.000 Polizisten wurden aufgeboten, um in eineinhalb Tagen zu diesem Ergebnis zu kommen:

Die polizeiliche und strafrechtliche Aufrüstung unter dem Label „Antiterrorkampf“ geht weiter. Die Einigkeit in diesem einen Punkt war bemerkenswert und systemübergreifend. Sie reicht von Diktaturen, Fast-Diktaturen, autokratischen Systemen bis hin zu Demokratien im Ausnahmezustand.

Kein einziger G20-Staat hat sich in Hamburg dafür eingesetzt, seine Kriegsbeteiligung(en) zu beenden, den eigenen Waffenhandel zu stoppen.

Einig war man sich am Rande, das in Afrika verstärkt zu tun, was man auf anderen Kontinenten längst tut: ausbeuten.

„Die G20-Staaten stellten sich in Hamburg hinter den „Compact mit Afrika“, mit dem Berlin sich neuen Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent sichern will. Der „Compact“ sieht Maßnahmen vor, die es Industrienationen wie Deutschland faktisch ermöglichen, die Investitionsbedingungen in einzelnen Staaten Afrikas weitgehend nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Als Partner dafür hat die Bundesregierung Tunesien, Ghana und Côte d’Ivoire gewählt. Während Tunesien längst als bedeutender Niedriglohnstandort deutscher Unternehmen fungiert, steht Côte d’Ivoire noch unter maßgeblichem Einfluss Frankreichs – ein Zustand, den Berlin mit Hilfe des „Compact mit Afrika“ zu brechen hofft. Insgesamt soll der „Compact“ vor allem helfen, den deutschen Wirtschaftseinfluss in Afrika nach vielen gescheiterten Versuchen der vergangenen Jahre endlich zu intensivieren. Aus Sicht des deutschen Establishments drängt die Zeit: Mit China ist ein weltpolitischer Rivale mittlerweile zum wohl bedeutendsten Wirtschaftspartner zahlreicher afrikanischer Staaten aufgestiegen.“ (german-foreign-policy.com vom 10.7.2017)

 

Furchtbar einig ist man sich auch, die Flucht verstärkt zu bekämpfen, also zu verhindern, dass die Ursachen von Flucht und Elend die Ländern erreichen, die vom dortigen Elend am meisten profitieren und wesentlichen Anteil daran haben, dass die Menschen keine andere Überlebenschance mehr sehen, als zu fliehen.

Dafür tut man sich zusammen, mit dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan genau so wie mit para-staatlichen Milizen in Libyen.

Man kann es auch so zusammenfassen: Man setzt die Politik der Ausbeutung, der Verarmung und Zerstörung fort und verstärkt die Maßnahmen, dass die mörderischen Folgen dieser Politik die (meisten) G-20-Staaten nicht erreichen.

Die „kannibalische Weltordnung“ (Jean Ziegler) hat in Hamburg gezeigt, dass sie sich nicht aufhalten läßt – weder durch die 50 Millionen Menschen auf der Flucht, weder durch das tägliche Sterben an Hunger oder im Mittelmeer, noch durch die „Krawalle“ in Hamburg.

Selbstverständlich sind die „Krawalle“ in Hamburg nicht die Antwort auf dieses globale Wissen. Auch die „friedlichen Proteste“ sind es nicht.

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Welcome to … „Festival der Demokratie“ in Hamburg anläßlich des G20-Gipfels

aktualisiert am 9. Juli 2017

Manchmal ist es von Vorteil, nicht dabei zu sein – auch wenn das nicht wirklich eine gute Begründung ist.

Ich war bei der Demonstration „welcome to hell“ am 6. Juli 2017 in Hamburg dabei – am Fernseher, dank einer Liveübertragung des N24-Senders. Er berichtete über die Veranstaltung und Kundgebung im Vorfeld und dann durchgehend über die Demonstration gegen den G20-Gipfel, über vier Stunden lang, bis 23 Uhr.

Der Sender hatte zwei Reporter vor Ort, einen in den Reihen der Demonstration und einen auf Seiten der Polizei. Ab und an wurde dann ins Studio geschaltet, wo Moderatoren und „Experten“ das Gesehene einordnen sollten.

Ich kann mich also ausschließlich auf diese Kameraperspektiven beziehen und möchte mich auf den Zeitraum zwischen 19.00 bis 20.00 Uhr beschränken.

Es geht dabei um die Frage, die wir schon so oft gehört haben und die so oft so verschieden beantwortet wurde: Wer begann an diesem Donnerstag mit der Gewalt? Wer ist für die Einkesselung der Demonstration verantwortlich? Wer ist für ihre Zerschlagung bzw. Auflösung verantwortlich?

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Der G-20-Gipfel in Hamburg rückt näher. Der rot-grüne Senat bietet dem Protest Schlafentzug an

Die erste Aktion unter dem Namen „G20-Protestwelle“ mit Booten, Ansprachen und Musik ging mit bis zu 18. 000 TeilnehmerInnen und Teilnehmern zu Ende. Die Polizeiführung zählte diese zu den „Guten“ und preiste sie ganz unparteiisch mit „familienfreundlich“ aus. Also blieb es auch friedlich.

Zu den bösen, als nicht-familienfreundlichen Demonstrationen zählt ganz sicher die Demonstration am Donnerstag, mit der nicht ganz objektivierbaren Parole „Wellcome to hell“.

 

Wellcom-to-hell-2017

Die Polizei, der Geheimdienst, der bekanntermaßen etwas von Gefahrenprognose und Gefahrenabwehr versteht (wenn man nur auf den NSU-Komplex schaut), der rot-grüne Senat und die Innenminister überbieten sich gegenseitig in Law & Order-Politik:

Der Innenminister de Mazière (CDU) kündigte an, „die Gewalt im Keim zu ersticken“ und der Justizminister Maas (SPD) drohte Demonstranten mit „aller Härte des Gesetzes“. Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Damit hatten beide parteiübergreifend nicht die Kriegsbeteiligungen Deutschlands gemeint, genau so wenig den VW-Konzern (Diesel-Gate) oder die Banken, die fortgesetzt Milliarden in „Steuerparadiese“ schleusen (Panama Papers).Wenn sich beide exklusiv an die Einhaltung von Gesetzen und ihre Durchsetzung erinnern, dann haben sie die von Innenminister de Mazière gezählten „deutlich über 8.000 Extremisten aus dem In- und Ausland” im Visier.

Angesichts dieser Gefahr ließ die Einsatzleitung wie ein gut ausgestatteter Küchenchef wissen, dass sie mit 20.000 Polizeibeamten, Hubschraubern, Polizeipferden und Drohnen auf alles vorbereitet sei und sich nicht scheue, das auch zu zeigen, bevor es ungebraucht herumsteht.

Zu den Bösen zählen auch die Camps, die errichtet werden sollen, um den TeilnehmerInnen aus anderen Städten und Ländern eine bescheidende Bleibe zu bieten. Schließlich ist davon auszugehen, dass Menschen, die so bescheiden nächtigen, zu noch viel Schlimmerem in der Lage sind.

Der Senat und die Verwaltung zeigten sich bestens informiert und lehnten eine Genehmigung ab. Dass es sich dabei um einen „rot-grünen“ Senat handelt, macht deutlich, wie groß die Unterschiede zu „Schwarz-Gelb“ sind, wenn es ums Eingemachte geht. Die Elbe würde jedenfalls nicht dazwischen passen.

Zwar lehnte das Hamburger Verwaltungsgericht ein generelles Camp-Verbot ab und erlaubte eine rudimentäre Infrastruktur (inklusive Schlafzelten) auf der weit abgelegenen und leicht abriegelbaren Elbinsel Entenwerder. Doch wo der Rechtsbruch in besten Händen ist, bewies die Hamburger Polizeiführung mit schlafwandlerischer Sicherheit: Man lehnte den Aufbau von Schlafzelten ab.

Natürlich bietet im Gegenzug die rot-grüne Stadtregierung alles, um den G-20-Führern und ihrem Tross ein großzügiger Gastgeber zu sein. Die besten Hotels, demonstrationsfreie Ruhestätten und den entsprechenden Escort-Service. Schließlich gilt es die Standards zu halten, die diese „Führer“ in ihren ausgeplünderten Ländern gewohnt sind.

Man weiß nicht, ob es zynisch gemeint ist oder ob sich ein versteckter Hinweis in den Ratschlag des Senats eingeschlichen hat: Man schlägt den bleibelosen DemonstrationsteilnehmerInnen vor, sich doch in die örtlichen Hotels und Jugendherbergen einzuquartieren.

Zum Beispiel das Hotel mit dem ganzjährigen Versprechen „Vier Jahreszeiten“. Dort residiert der König aus Saudi Arabien, der nur darauf wartet, endlich einmal Demonstranten in seinen Gemächern begrüßen zu dürfen.Es böten sich also sicherlich noch viele andere Hotels an, wo man in Foyers und Suites der Frage auf den Grund gehen kann, ob sich in Hamburg die wichtigsten 20 Staatsführer treffen oder doch „lediglich Wasserträger, Gehilfen und Ausführer der Interessen der Konzerne … Komplizen der Privatunternehmen“.

Vielleicht hat der der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung Jean Ziegler ja Recht?

Kurzum: Eine sehr gute Gelegenheit, die Sprach- und sonstigen Barrieren abzubauen, den Dialog direkt und unverstellt zu suchen und allen zusammen den nötigen Schlaf zu ermöglichen, um gut ausgeschlafen das jeweils Gegensätzliche unversöhnlich auszutragen.

Wolf Wetzel

publiziert bei „Rubikon“ am 3.7.2017:

https://www.rubikon.news/artikel/der-g-20-gipfel-in-hamburg-ruckt-naher