Die Urteile im NSU-Prozess in München. Alles gesagt?

Für den 11. Juli 2018 wurden die Urteile im NSU-Komplex angekündigt. Sie richten sich gegen das letzte lebende (Gründungs-)Mitglied einer terroristischen Vereinigung namens „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) und vier Unterstützer.

Laut Süddeutsche Zeitung ist der NSU-Prozess „ein Prozess der Superlative: der längste, der größte, der teuerste. Ein Jahrhundertprozess, nur zu vergleichen mit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen, den Auschwitzprozessen und den RAF-Verfahren. Es geht um zehn Morde, drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle.“

In der medialen Vorbereitung auf das Urteil wurde immer wieder an das Versprechen erinnert, das die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf einer zentralen Gedenkfeier im Februar 2012 gegeben hatte:

Wir tun alles, um die Morde aufzuklären und die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen.“

Dass dieses Versprechen nichts wert ist und mit Bedacht nicht eingelöst werden sollte, hat sich nicht erst im Laufe des Prozesses herausgestellt.

Bereits vor Beginn des Prozesses im Jahre 2013 hat die Bundesanwaltschaft angekündigt, worum es in diesem Prozess nicht gehen wird:

  • Gegenstand des Prozesses wird nicht sein, ob der NSU aus mehr als drei Mitgliedern besteht.
  • Nicht aufklärungswürdig ist die Begründetheit des Vorwurfes, dass der Staat in direkter bzw. indirekten Form am Zustandekommen des nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) beteiligt war.
  • Ebenfalls sei es nicht Gegenstand dieses Prozesses, ob und wie viele V-Leute die Taten des NSU ermöglicht bzw. nicht verhindert haben.

 

Diese Prozesslinie hatte der Bundesanwalt Dr. Diemer am 25. Juli 2017 nochmals unterstrichen, als es um die verweigerte Beweiserhebung in diesem Verfahren ging:

Eine Beweisaufnahme, die das politische und mediale Interesse nicht immer befriedigen konnte, weil die Strafprozessordnung dem Grenzen setzte. Rechtsstaatliche Grenzen, die verlangen, das Wesentliche vom strafprozessual Unwesentlichem zu trennen. So ist es schlicht und einfach falsch, wenn kolportiert wird, der Prozess habe die Aufgabe nur teilweise erfüllt, denn mögliche Fehler staatlicher Behörden und Unterstützerkreise – welcher Art auch immer – seien nicht durchleuchtet worden. Mögliche Fehler staatlicher Behörden aufzuklären, ist eine Aufgabe politischer Gremien. Anhaltspunkte für eine strafrechtliche Verstrickung von Angehörigen staatlicher Stellen sind nicht aufgetreten.“ (Wortprotokoll der Nebenklage)

Von daher ist die bis heute andauernde Enttäuschung über den fehlenden Aufklärungswillen auch eine Selbsttäuschung, die mit der Weigerung einhergeht, sich nicht mit dem deutlich artikuliertem Faktum auseinanderzusetzen, dass „schonungslose“ Aufklärung weder die Aufgabenstellung der Bundesanwaltschaft war, noch die des Staatsschutzsenats.

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Auf Teufel komm raus

Für die Süddeutsche Zeitung/SZ gibt es im NSU-Geheimdienst-Komplex schon seit Langem genau eine Version. Es ist die offizielle: Der NSU bestand aus drei Mitgliedern. Die Morde, die ihnen zu Last gelegt werden, einschließlich ihr einvernehmlicher Selbstmord 2011 seien hinreichend bewiesen. Staatliche Stellen sind weder am Zustandekommen beteiligt, noch in die Taten des NSU involviert. Wer Zweifel äußert, kommt noch davon. Wer hingegen die offizielle Version für die unwahrscheinliche hält und andere Geschehensabläufe (wie in Heilbronn 2007 z.B.) für plausibler, der landet auf dem medialen Scheiterhaufen.

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Nun nimmt die Redakteurin Annette Ramelsberger von der Süddeutsche Zeitung die Dokumentation „Tod einer Polizistin. Das kurze Leben der Michele Kiesewetter“ von Katja und Clemenz Riha, im ARD am 24. April 2017 ausgestrahlt, zum Anlaß, nochmals den zeitungseigenen „Dschungel der Verschwörung“ zu bewässern – mit einem Wink in Richtung Programmrat, hier einmal aufzuräumen:

Publiziert auf „Rubikon“ am 28. April 2017: https://www.rubikon.news/artikel/auf-teufel-komm-raus

 

Warum sterben – rund um den NSU – so viele (potenzielle) Zeugen in Baden-Württemberg?

aktualisiert am 26.2.2016

Dass in Baden-Württemberg ganz junge Menschen auf ganz merkwürdige Weise ums Leben kommen, kann reiner Zufall sein. Dass diese Menschen alle potentielle und tatsächliche Zeugen im NSU-VS-Komplex waren bzw. gewesen wären, ist alles, nur kein Zufall.
Nun gibt es ein viertes Opfer, Sascha Winter, 31 Jahre aus Kraichtal.
Seine Verlobte Melisa Marijanovic starb vor knapp einen Jahr, mit 20 Jahren. Laut Obduktionsbericht soll sich das so zugetragen haben: Melisa Marijanovic hatte einen kleinen Motorcross-Unfall, bei dem sie sich das Knie geprellt hatte. Sie ging zum Arzt, zwei Mal wurde eine Thrombosevorsorge gemacht. Am 28. März 2015 findet sie ihre Freund, Sascha Winter, mit Krämpfen in ihrer gemeinsamen Wohnung. Jede Hilfe kam zu spät.
Nun ist auch ihr Freund und Verlobter tot.

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Jahresrückblick: Polizistenmord in Heilbronn 2007

Die Büchse der Pandora
Jahresrückblick: Polizistenmord in Heilbronn. Der dem NSU angelastete Anschlag aus dem Jahr 2007 wirft viele Fragen auf

Der Mordanschlag auf zwei Polizisten in Heilbronn am 25. April 2007 wird den beiden mutmaßlichen Mitgliedern des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU), Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, zugeschrieben. Neben den mittlerweile standardisierten »Pannen« bei Ermittlung und Fahndung unterscheidet sich dieser Anschlag durch zweierlei von der Terror- und Mordserie des NSU: Zum ersten Mal sollen Polizisten das Ziel neonazistischen Terrors gewesen sein. Zweitens seien die beiden Polizisten pure Zufallsopfer gewesen, denn es sei um einen Angriff auf »Repräsentanten des Staates« und um bessere Waffen gegangen, wenn man Beate Zschäpes Einlassung glauben will.
Beides ist mehr als unglaubwürdig. Das angebliche Motiv ist an Haltlosigkeit nicht zu übertreffen: Wenn es ganz abstrakt um »Repräsentanten des Staates« gegangen wäre, dann hätte man nicht über 400 Kilometer fahren müssen, um zufällig auf eine Streifenwagenbesatzung zu stoßen, die auf der gut einsehbaren Theresienwiese Pause gemacht haben soll, während um sie herum über hundert Aussteller ein anstehendes Volksfest vorbereiteten.

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Beate Zschäpe und „Das Schweigen der Lämmer“

Beate Zschäpe hat sich mit der Entscheidung, sich im November 2011 ›freiwillig‹ zu stellen, gleichzeitig fürs Schweigen entschieden. Ein Schweigen, das sie selbst im Prozess in München – bis jetzt – aufrechterhalten hat. Sich dort nicht zu verteidigen, kann man nicht mit Dummheit erklären. Sie hat sich offensichtlich Vorteile davon versprochen, die sie mit ihrem Schweigen heute nicht mehr gewahrt sieht. Wie man sich dieser Vorteile sicher sein kann, steht sicherlich auf einem anderen Blatt.
Die Erklärung soll 70 Seiten umfassen. Das ist mehr als eine kleine Einlassung. Warum läßt sich das Gericht damit soviel Zeit? Warum wird sogar der Prozess ausgesetzt? Dass der neue Rechtsanwalt Urlaub mache und deshalb eine Verschiebung der Erklärung notwendig mache, ist mehr als dürftig. Zu oft hat das Gericht viel begründeter Anträge (gerade auch der Nebenanklage) abgeschmettert bzw. nicht zugelassen. Es geht also darum, dem Gericht, vor allem der Generalbundesanwaltschaft Zeit zu verschaffen, sich auf diese Erklärung vorzubereiten.
Dass diese Erklärung sehr viel enthalten könnte, die zentrale Anklagepunkte in sich zusammen fallen lassen würde, ist mehr als evident. Sie sind längst – auch ohne die Einlassung von Beate Zschäpe – Gegenstand der neuen parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Berlin und Thüringen. Es geht dort um die Frage, ob der NSU aus drei Mitgliedern bestanden habe (die sogenannte Trio-Version), um die massiven Zweifel an dem einvernehmlichen Selbstmord der beiden NSU-Mitglieder in Eisenach 2011 und um die Frage, ob Beate Zschäpe tatsächlich ihre Wohnung in Zwickau selbst in Brand gesetzt hatte.

Beate Zschäpe soll sich laut Anklage in der Wohnung in Zwickau aufgehalten habe, als sie vom Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erfahren hatte. Der Campingwagen, im dem die beiden NSU-Mitglieder tot aufgefunden wurden, war voll mit Utensilien, die auf eine lange Reise hinweisen. Niemand verstaut Geld aus Banküberfällen in einem Campingwagen, um damit einen weiteren Banküberfall zu machen. Da die polizeilichen Ermittler dazu schweigen, wäre Beate Zschäpe derzeit die einzige, die die zentralen Fragen beantworten könnte: Was hatten sie vor, welche Pläne verfolgten sie? Wie hat sie von deren Tod erfahren? Wer hat sie darüber informiert? Und was wußte sie über die Ereignise und Umstände, die in einem Selbstmord gemündet haben sollen?
Ich bin mir auch ohne Beate Zschäpe Einlassungen sicher, dass der Selbstmord die unwahrschenlichste Todesurasache ist. Dazu habe ich bereits sehr viel geschrieben. Geht man also von der viel plausibleren Möglichkeit aus, sie hat vom gewaltsamen Tod ihrer ›Kameraden‹ erfahren, dann hatte sie allen Grund dazu, um ihr eigenes Leben zu fürchten. Das naheliegendeste wäre also gewesen, zu fliehen, an einen sicheren Ort – ganz egal, vor wem sie Angst hatte bzw. Angst haben mußte. Sie hatte dazu vier Tage Zeit. Sie hatte Alias-Papiere, sie hatte umfangreiche Kontakte zu vielen Neonazi-Strukturen in der ganzen Bundesrepublik, ob es sich dabei um ›Blood & Honour‹ oder um KKK-Strukturen handelte. Und sie hatte zahlreiche Kontakte ins Ausland, nach Südafrika zum Beispiel. Das heißt: sie hätte die vier Tage nutzen können, ins Ausland abzutauchen, sich einer drohenden Festnahme zu entziehen. Dieses Szenario ist natürlich nur gültig, wenn man den polizeilichen und staatanwaltschaftlichen Ermittlungen Glauben schenkt, dass man keine heiße Spur zu den abgetauchten Neonazis gehabt habe, geschweige denn von der Existenz des NSU gewußt haben will.
Wenn Beate Zschäpe diese Möglichkeit nicht genutzt hatte, dann muss sie davon ausgegangen sein, dass eine Flucht nicht möglich ist. Wer und was könnte also eine solche Flucht aussichtslos machen?

Wolf Wetzel
Der NSU-VS-Komplex. Wo beginnt der Nationalsozialistische Untergrund – wo hört der Staat auf? Unrast Verlag 2015/3. Auflage

 

 

Das Schweigekartell in Baden-Württemberg zum NSU-Komplex … bekommt Risse

Das Schweigekartell in Baden-Württemberg zum NSU-Komplex … bekommt Risse

Manche verstehen nicht, warum in Baden-Württemberg erst Anfang 2015 ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss/PUA eingerichtet wurde, der der Frage nachgehen soll, welche Rolle Baden-Württemberg im NSU-Komplex spielte.
Noch weniger versteht man – auf den ersten Blick – warum alle im Parlament vertretenen Parteien einen PUA auf ihre je eigene Weise zu sabotieren versuchten. Warum sträubte sich auch die gegenwärtige rot-grüne Landesregierung gegen die Einsetzung eines PUA? Warum deckt sie damit die Vorgängerregierungen, die von der CDU und FDP gestellt wurden? Was eint CDU, FDP, SPD und die Grünen?
Warum leugnen sie bis heute die herausragende Rolle, die Baden-Württemberg für die Geschichte des NSU und ihre Nicht-Aufklärung markiert?

 

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Zehn NSU-Morde und drei tote Zeugen

Zehn NSU-Morde und drei tote Zeugen

(aktualisiert am 1.4.2015)

Am 28. März 2015 wurde »eine 20-jährige Zeugin im Prozess um den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) tot in ihrer Wohnung aufgefunden.« Laut Polizeiangaben wurde sie von ihrem Lebensgefährten mit Krampfanfällen in der Wohnung gefunden. Die herbeigerufenen Ärzte konnten ihr Leben nicht retten. Einem vorläufigen Obduktionsbericht zufolge sei sie an einer Lungenembolie gestorben.

Wie eine 20-Jährige an einer Lungenembolie sterben kann, erklärten die Ermittler auch. Sie habe sich vier Tage zuvor eine Prellung im Knie zugezogen, die auch ärztlich behandelt wurde, wozu auch eine Thrombosevorsorge zählte. Diese sollte jedoch nicht verhindern, dass sich ein Thrombus gelöst habe, der letztendlich die Lungenembolie verursacht habe.
Genau so sehen das Dr. Tobias Wagner/Staatsanwalt und Fritz Bachholz/Erster Polizeihauptkommissar in einer gemeinsamen Pressekonferenz vom 30.3.2015.

Es ist die dritte Zeugin, die aufgrund von gemachten Aussagen zum NSU-VS-Komplex, stirbt. Sie heißt Melisa Marijanovic.

jW-Titelseite-3-2015 Den Rest des Beitrags lesen »

Der NSU-VS-Komplex in Baden-Württemberg

Der NSU-VS-Komplex in Baden-Württemberg

Über (wenig) Einsicht und (viel) Flucht in einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss/PUA

Was monatelang für »nicht machbar und völlig unnötig« erklärt wurde, kommt nun doch: ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss/PUA im Ländle. Nun wollen sich die ehemaligen und aktuellen Regierungsparteien gemeinsam selbst kontrollieren.

 

IM Gall (SPD) bei der Arbeit

IM Gall (SPD) bei der Arbeit

In diesen Tagen geht es darum, den Fahrplan für die kommenden Sitzungen auszuhandeln: Welche Themen sollen behandelt, welche Zeugen geladen, welche Akten angefordert werden? Was eigentlich einer parlamentarischen Opposition obliegen sollte, liegt im Ländle in den Händen der alten und neuen Regierungsparteien.
Auch wenn es CDU und SPD lange und gemeinsam zu leugnen versuchten: In Baden-Württemberg spielen sich zentrale Ereignisse ab, die die Geschichte des NSU als auch ihre Nicht-Aufklärung markieren.

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20.5.2015 | Der NSU-VS-Komplex in Baden Württemberg|Kulturschock Zelle | Reutlingen |

Veranstaltung in Reutlingen am 20.5.2015 | 19.30 Uhr | Kulturschock Zelle | Alpstr.78 | 72764 Reutlingen

NSU Veranstaltung in Reutlingen, 20-5-2015 Den Rest des Beitrags lesen »

Redebeitrag von Thomas Moser in Pforzheim 23. Februar 2014

Vorne NSU-Terror – hinten Verfassungsschutz – Zwei Seiten

derselben Medaille

Wo steht dieses Land?

Als vor zwei Jahren ein rechtsradikales Terrortrio aufgedeckt wurde, das mindestens zehn Menschen ermordet haben soll, war die große Frage: Wie konnte das geschehen? Wie konnten die Sicherheitsbehörden derart versagen? Am 23. Februar 2012, exakt vor zwei Jahren, versprach die Bundeskanzlerin Aufklärung. Doch was wir seither durch den Exekutivstaat erleben, ist eine unfassbare Verhinderung der Aufklärung.

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