Du darst
müssen.
Eine fettarme Glosse
Ich schlage das Editorial des „Frankfurt Journal“ auf und überfliege, was der Chefredakteur am Ende dieses Jahres zu sagen hat, was er als „große Erwartungen“ ankündigt. Er findet, dass sich das Journal mächtig verändert hat und sich „treu“ geblieben ist: „Restaurantkritiken, Rezensionen von Theateraufführungen, von Filmen und Büchern, dazu Interviews mit Politikern …“ Mann, möchte ich ihm sagen, das ist ja sowas von neu, dass ich gar nicht wissen möchte, wie das Ganze aussehen wird, wenn es im nächsten Jahr noch „neuer“ wird.
Aber dann reißt der Geduldsfaden. Der Chefredakteur lässt mich wissen:
„Dazu mischt sich auch immer Stolz (ein Deutscher zu sein, wollte ich schon voreilig den Satz enden lassen), in einer Stadt wie Frankfurt leben zu dürfen.“ (Nr. 26/2017)
Ich frage mich unerlaubt: Darf er wirklich in dieser Stadt leben? Wer hat ihm das erlaubt? Darf das ein Obdachloser auch?
Seit ein paar Jahren bekomme ich einen Allergieschock, wenn ich das Wort „dürfen“ hören darf.
Alle dürfen nur noch, was sie tun müssen, weil ihnen gar nichts anders übrigbleibt.
„Mein Name ist X, was darf ich für Sie tun“, sagt mir die Stimme X in einem x-beliebigen Callcenter.
„Was darf ich Ihnen bringen?“, fragt mich die Bedienung in einem Café.
Und natürlich auch der millionenschwere Popstar bedankt sich dafür, dass er hier, in der Talkshow, dabei sein darf.
Alle sind einfach nur noch dankbar, nicht nur die Nationalspieler der deutschen Nationalmannschaft, dass sie mitspielen dürfen, dem Land dienen dürfen oder weniger Geheimnisvollem.
Wenn alle nur noch dürfen, muss etwas Schreckliches passiert sein – im Kopf.