»Alle Räder stehen still, wenn …«
Das war einmal ein handfester Kampfruf der Arbeiterklasse. Heute löst er nur noch mitleidiges Lächeln aus oder nostalgische Gefühle. Nicht alle finden sich mit der Ohnmacht ab. Nicht alle warten darauf, bis alle mitmachen. Wer heute Kämpfe führen will, fängt nicht mit ›Wir sind die 99 Prozent‹ an. Er kämpft nicht nur gegen Unternehmen, sondern auch gegen die weit verbreitete Resignation, die sich wie ein Stahlnetz über den Streik der BahnarbeiterInnen legt.
Ein Streik, der nicht unsere Lebensverhältnisse berührt, unsere Normalität stört, ist kein Streik.
Dass ein Arbeitskampf, der tatsächlich auch als Kampf, also als Konfrontation geführt wird, von dem betreffenden Unternehmen denunziert wird, ist normal. Dass ein Unternehmen einen Streik für ›gänzlich überzogen‹ hält, wenn er effektiv ist, gehört zur Unternehmenskultur bzw. zur Pflege ihres Portfolio. Dass die meisten Parteien mit Wohlstand und Standortpflege gerade einmal ein Prozent der Gesellschaft meinen, ist auch nichts besonders neues.
Dass auch die meisten Medien, die in erster Linie Unternehmen sind, also Unternehmenspolitik im Namen der Meinungsfreiheit betreiben, Partei ergreifen, sich auf die Seite des betroffenen Unternehmens schlagen, und dabei die Sorgen der Kunden vor sich herschieben, gehört zur Medienstrategie.
Dass das allseits im Munde geführte Argument heuchlerisch ist, dieser Streik träfe vor allem diejenigen, die gar nicht gemeint sein können, die Bahnkunden, sollte einleuchten. Was wäre, wenn der Streik die Konzernzentrale blockiert, die Führungsetage trifft, die selten Bahn fährt, sondern mit ihren Dienstwagen das Leben genießt? So etwas wie die Springer-Blockade, nur ein bisschen später?
Wenn es also wirklich die Richtigen träfe, wären dann alle zufrieden?
Und wen wundert es wirklich, wenn sich der DGB in diese Phalanx einreiht und zur Vernunft mahnt – eine Vernunft, die in den letzten 10 Jahre zu realen Lohnminderungen führte. Eine Gewerkschaft, die sich als Co-Pilot von Wirtschaftsunternehmen geriert und die Agenda 2010 de facto mitgetragen hat.
Was aber besonders schmerzt ist die Erfahrung, dass die Linke so wenig dazu sagt, sich nicht solidarisiert, den Streikenden nicht ihre Stimme gibt, vor allem ZuschauerIn bleibt. Das gehört auch zur Wahrheit. Hat ›Blockupy‹ nichts mit Arbeitskämpfen, mit einem Kampf um bessere Löhne und Arbeitsbedingungen zu tun? Was ist mit all denen, die so viel Kapitalismuskritik im Gepäck haben? Wann hat die Abstraktion ein Ende?
Umso erfreulicher ist es, dass die Tageszeitung ›Junge Welt‹ nicht nur über diesen Streik berichtet, sondern auch dabei hilft, die politische Dimension dieses Streiks, die weit über den Kampf einer ›Spartengewerkschaft‹ hinausreicht, deutlich zu machen und mit einer ›Streikzeitung‹ dazu beiträgt, dass diese Kämpfe nicht isoliert werden.