Die Wirklichkeit als lästiger medialer Bestandteil – 14. Juni 2016: Contre la loi Travail et son monde.
Als wollten die deutschen Medien keinen Zweifel an dem Konzept aufkommen lassen, dass nur das Wirklichkeit ist, was die Medien als solche präsentieren, pixelten sie sich für den 14. Juni, den Tag der Proteste ‚Gegen das Arbeitsgesetz und seine Welt’ folgende Wirklichkeit zurecht: Vorneweg die ersten „Ermittlungsergebnisse“ zum Mordanschlag auf zwei Polizisten nahe Paris am Tag zuvor. Ganz lang, ganz ausführlich und ganz zufrieden – dass die Lücke zwischen (abstrakter/konkreter) Terrorgefahr und die alles rechtfertigende „Terrorabwehr“ durch eine Tat gefüllt wurde. Dann ca. fünf Sekunden Bilder von den Protesten von „ein paar Zehntausend Menschen“ und 15 Sekunden Bilder von „Ausschreitungen“.
Wie viele es tatsächlich waren, warum diese schon sehr seit Wochen demonstrieren und dies immer noch tun, warum die Wut nicht friedlich bleibt, unter den Bedingungen eines Ausnahmezustandes und massiver Polizeieinsätze … nichts von alledem. Medial besteht Frankreich zurzeit nur aus ganz viel Terrorgefahr und ganz viel Fußball, der geradezu blind zwischen diesen Feldern zirkuliert.
Was den Medien ein paar Sekunden Berichterstattung, ein paar Sätze wert war, hatte nach Gewerkschaftsangaben eine Million Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Paris (und 1,3 Millionen frankreichweit mit zusätzlichen Demonstrationen in Marseille und anderswo) auf die Straße getrieben. Nach Polizeiangaben, denen die Medien mutig und unabhängig folgten, waren es „70.000 bis 80.000“ Teilnehmer in der Hauptstadt, und 125.000 landesweit.
Ob sich die Bewegung entmutigen oder gar spalten läßt, ob die Regierung die Androhung ernst machen wird, Demonstrationen zu verbieten, wird sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen.
Wolf Wetzel
Der Rechtsstaat im Untergrund |Big Brother, der NSU-Komplex und notwendige Illoyalität, PapyRossa Verlag, Köln 2015
Die EM in Frankreich als Antidepressivum: https://wolfwetzel.wordpress.com/2016/06/12/die-em-als-antidepressivumfr-vom-9-6-2016/
Es gibt eine deutschsprachige Reportage des WDR über die Bewegung „nuit debout“, die verschiedene Positionen innerhalb der Bewegung einfängt: https://youtu.be/zsHn-xIf9po
Ein Bericht über die Demonstration am 14. Juni gibt es von Agence LDC News:
https://www.youtube.com/watch?v=qPMZrCANaT8#t=1508.892334
https://youtu.be/qPMZrCANaT8?t=14
Man sieht, wie der Demonstrationszug immer wieder angehalten, z.T. eingekesselt und dann mit Tränengas beschossen wird. Man sieht auch sehr gut, dass die meisten Leute auf alles vorbereitet sind, nur nicht auf diese massive Polizeigewalt. Dass diese Ohnmachtssituation nicht von allen hingenommen wird ist mehr als verständlich. Die allermeisten haben dabei nicht einmal die Mittel, sich zu schützen, geschweige denn die Mittel, sich dieser Polizeigewalt zu widersetzen.
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