30.4.2013 – Veranstaltung: Zur Problematik und Notwendigkeit eines Antifaschismus

Für alle, die mit praktischen Tipps für die Blockade des NPD-Aufgebotes am 1. Mai versorgt sind und sich ganz flott und kontrovers durch die Geschichte des Antifaschismus führen lassen wollen…

Antifaschismus – zur Geschichte und Gehalt eines problematischen Kampfbegriffs

Podiumsdiskussion von Platypus Frankfurt, mit Unterstützung des ASTA der Uni Frankfurt:

– Jan Gerber (Buchautor bei Ca-Ira, Leipzig)

– Manuel Kellner (ISL, Köln)

– Henning Mächerle (VVN-BdA, Gießen)

– Wolf Wetzel (ehem. autonome L.U.P.U.S.-Gruppe)

am Dienstag, 30. April 2013, 19 Uhr

Campus IG-Farben/Westend, Casino Festsaal (Cas. 823)

Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt/M

http://germany.platypus1917.org/

 

Seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten vor achtzig Jahren, gehört der Antifaschismus zu einem Kernelement linker Politik. Der Kampf gegen Faschisten und Nazis ist eine moralische Selbstverständlichkeit und so scheint auch das Konzept von Antifaschismus als Politik einen selbstevidenten Charakter zu haben. Doch in den verschiedenen Phasen war der Kontext antifaschistischer Politik ein völlig anderer, ebenso wie die Vorstellung dessen, was Antifaschismus im Hinblick auf eine linke Politik beizutragen habe. Dennoch lässt sich über die ständige Referenz und dem antikapitalistischen Anspruch eine gewisse Kontinuität feststellen. Doch woher kommt diese? Was war der Antifaschismus und wie hat er sich geändert? Inwiefern hilft der Begriff bzw. das Konzept des Antifaschismus bei dem Verständnis der historischen und gegenwärtigen Realitäten? Was bedeutet eine antifaschistische Politik heute – in der Abwesenheit des Faschismus als politischer Massenbewegung? Die Podiumsdiskussion möchte die unterschiedlichen historisch-politischen Implikationen antifaschistischer Politik thematisieren um somit grundlegende Fragen und Probleme linker Politik in der Gegenwart aufzuwerfen.

Debatte um die Platypus -Veranstaltung am 30.4.2013 in Frankfurt:

»Liebe Leute,

Platypus wußte nicht, dass am 30. April im ExZess eine Mobilisierungsveranstaltung gegen die Nazi-Demo am 1. Mai stattfinden würde. Nun ist es so, dass seit Jahrzehnten am Vorabend größerer Nazi-Demonstrationen ein Plenum oder eine große Veranstaltung zur Gegenmobilisierung stattfindet. Wenn die Terminwahl wirklich keine Absicht gewesen ist, zeigt sie vor allem die völlige Ahnungslosigkeit und die Distanz der Gruppe Platypus zur antifaschistischen Bewegung in Frankfurt.

Am Vorabend einer der größten antifaschistischen Mobilisierungen der letzten Jahre hat Platypus eine Veranstaltung mit Jan Gerber angekündigt. Gerber meint, dass „gerade im Antifaschismus das Konzept der Volksgemeinschaft auflebt und fortbesteht“: https://suburbanhell.org/wut/jan-gerber-das-ende-des-antifaschismus

Da muss mensch wirklich nicht besonderes bösartig interpretieren, um hier eine Demobilisierung zu wähnen. Es ist wichtig über die Ausrichtung antifaschistischer Politik zu diskutieren. Auch über den Begriff des Antifaschismus sowie die bündnispolitische Ausrichtung und blinde Flecken der Antifa-Bewegung diskutiere ich gern und wenn es sein muss auch mit Jan Gerber. Der 30. April diesen Jahres ist der denkbar schlechteste Zeitpunkt für eine solche Diskussion. An diesem Tag sollten Menschen, die Nazis zum Kotzen finden, sich im Exzess einfinden, um darüber zu diskutieren, wie sie die mehr oder weniger bekennenden Nationalsozialisten daran hindern, ihre Demonstration durchzuführen.

Mit antifaschistischen Grüßen

Stephan

 

»Hallo Zusammen,

danke für den Link zu Jan Gerbers Positionen, also einer von mehreren, die auf dem Podium am 29. April vertreten sein werden. Jan Gerbers Positionen strotzen vor antideutschen Theorem und sind historisch und aktuell nur mit viel Geduld zu ertragen.
Es gibt einige, die es nicht wissen, andere, für die es gar nicht wichtig ist: Ich gehöre ganz sicher nicht zu jenen, die mit antideutschen Positionen geliebäugelt haben, mit ihnen (zum Teil) sympathisier(t)en, sondern fürs ziemliche Gegenteil: Ich verstand sie im harten Kern (Bahamas-Linie) von Anfang an als reaktionär und als Ausdruck einer politischen Gegnerschaft, die sich glücklicherweise nicht zur Linken zähl(t)en, und in ihren weichen Variationen (wie dies Jan Gerber sehr gut vorführt) als eine zynische Haltung auf dem Wächtertrum der reinen Kritik – oder wie es Jan Gerber so treffend in seiner Rede formuliert hat: „… denn wer Vorschläge macht, macht sich leicht zum Mitschuldigen…“

Das ist alle schwer zu ertragen, schon lange, nicht nur, einen Tag vor dem NPD-Aufmarsch!
Aber genau, weil weder in Frankfurt, noch sonst wo diese Kritik einhellig war, weil viele der von Jan Gerber formulierten Positionen auch in Frankfurt Anklang fanden, ist das vielleicht die Ironie der Geschichte, dass all das auf so unpassende Weise zurückkehrt.
Aber genau darüber öffentlich zu reden, diese in der Tat extrem unterschiedlichen Positionen in einer öffentlichen Debatte sichtbar zu machen, ist doch auch in Frankfurt nie gemacht worden – obwohl wir immer auf diese Debatte gedrängt haben, anstatt auf gegenseitige Denunziationen.
Das war und ist auch der Grund meiner Teilnahme: Im Blick, in Gegenwart dieser Postionen Gegenpositionen einzunehmen, damit sich alle ein eigenes Urteil erlauben, bilden können.
Und so verkörpert für mich ein Jan Gerber auch das schlechte Gewissen der militanten Linken: Wer seine verlinkte Rede in Berlin mit großer Geduld anhört, wird  allen antideutschen Theorem begegnen, mit einem kleinen und schmerzhaften Unterschied: Dieses Mal wenden sie sich gegen die Antifa selbst und in gedachter Verlängerung auch gegen das „breite Bündnis“, das am 1. Mai den NPD-Aufmarsch in Frankfurt verhindern will.
Der Aufruf, aber jetzt ganz schnell die Mobilisierung in den Vordergrund zu schieben und von dieser Diskussion abzuraten, ist doch die schlechteste aller Antworten. Oder sind mittlerweilen ganz viele der Meinung, dass eine inhaltliche, kontroverse Debatte dem Antifaschismus schadet?
Und genau das meine ich mit dem schlechten Gewissen, das ein Jan Gerber macht: Er verweist auf den rituellen, identitäre Antifaschismus, auf eine Bündnispolitik, die Unterschiede nicht kenntlich macht, nicht ausdiskutiert, sondern unter den Teppich des Konsens kehrt. Und gerade weil ich kein Antideutscher bin, finde ich die Frage, was in Dresden 2010/11/12 inhaltlich, politisch passiert ist, nachdem der Protest gegen den Naziaufmarsch, der jahrelang eine Domäne der antideutschen Antifa war, von einem breiten Bündnis übernommen wurde, eine gute Frage, die zum Beispiel Jan Gerber stellt. Darüber zu reden, mit wem wir alles nicht reden sollten und müssten, sollten wir dann tun, wenn wir genau solchen Diskussionen (mit und ohne einen Jan Gerber) nicht länger aus dem Weg gehen.
Wolf Wetzel«

 

2 Antworten to “30.4.2013 – Veranstaltung: Zur Problematik und Notwendigkeit eines Antifaschismus”

  1. HC Says:

    Schon der erste Satz des oben zitierten Textes ist historisch falsch und halbiert den Antifaschismus um eine wichtige Phase: den europaweiten Kampf gegen Faschisten vor 1933 mit allen seinen Stärken und Schwächen.

    Anschliessend wird der Versuch gemacht, die Begründung für Antifaschismus auf „Moral“ zu reduzieren.
    Das ist bequem, wenn man ihn anschliessend kritisieren will, trägt aber nicht zielführend zum Verständnis de Notwendigkeiten antifaschistischer Politik bei.

    Die Behauptung, es gebe keine antifaschistische Massenbewegung, ist, freundlich gesagt, germanozentrisch. In den baltischen Staaten, in Polen, Ungarn, Teilen Russlands, aber auch Teilen der BRD sieht das anders aus. Und um auf die BRD und ihre immerhin fast zweihundert Nazitodesopfer seit 1990 zurückzukommen: hier gibt es, was dem Veranstaltungskonzept ganz ausser Blick sein scheint, inzwischen handfesteste Hinweise auf das Vorhandensein einer Faschisierungsoption im Staatsapparat, für den es in der Bevölkerung durchaus auch eine Massenbasis geben könnte, wenn man die entsprechenden Kampagnen dafür etwas geschickter anlegt als zB. die „Du bist Deutschland“-Kampagne des INSM von 2006.

    Antifaschismus muss heute die Realität der staatlichen Option einer sicherheitsapparatgestützten Faschisierung von oben ebenso ins Auge fassen wie den Faschismus von unten, sie muss das politische Verhältnis beider Bewegungen in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung je für sich differenziert und im Kontext miteinander bestimmen, ihre Klassenbasis benennen und daraus ihre Gegenstrategien entwickeln. Sie muss diese beiden einander ergänzenden, und, wie der NSU-VS-Komplex zeigt, streckenweise strategisch miteinander kooperierenden Bewegungen im Rahmen der imperialistischen Staatsumbauprozesse sehen und bewerten. Da ist verdammt viel zu tun.

    (Anfangen damit könnte man zB. damit, dass man den faschistischen Propagandabegriff „Nationalsozialismus“ nicht oder wenigstens nicht ohne distanzierende Anführungszeichen verwendet. Es gab und gibt keinen „rechten Antikapitalismus“: wenn „rechts“ auch weiterhin das bewahrende Beharren auf den vorfindlichen Basisstrukturen der bürgerlichen Gesellschaft, also dem Privateigentum an Produktionsmitteln, bedeuten soll, und wenn empirisch feststeht, dass Faschisten trotz aller verbaler Propaganda nie und nirgends dieses Eigentum in Frages gestellt haben, selbst, wenn sie an der Macht waren, was soll dann „rechter Antikapitalismus“ oder „Nationalsozialismus“ sein?).

    Hans Christoph Stoodt

  2. Wolf Wetzel Says:

    Hallo Hans Christoph und DiskutantInnen,

    ich kann vielen Bedenken und Kritiken nur zustimmen – und wenn einmal eine solche Veranstaltung gemacht wird, dann werden – in aller Regel – zuerst die großen Lücken und sehr unterschiedlichen Begifflichkeiten sichtbar, die seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten dem antifaschistischen Pragmatismus geschuldet sind. Dazu gehört eben auch ein fast völliges Fehlen offener, kontroverser Diskussionen, um überhaupt erst die bedeutsamen Unterschiedlichkeiten zu benennen, zu verstehen. Zu den vielen angesprochenen Punkten (Antifaschismus als moralisches Gebot, das fast völlig Fehlen einer Staatsanalayse, ein theoretisches und praktisches schwarzes Loch, was die genauen Unterschiede zwischen einer bürgerlichen Ordnung und einem faschistischen Herrschaftssystem angeht. Nicht minder gedankenlos und unbegründet werden Begriffe wie „rechte Kapitalismuskritik“ und „Nationalsozialismus“ benutzt. Handelt es sich dabei um ideologische Begriffe oder glaubt (die Linke) man tatsächlich, dass der Faschismus einen nationalen Sozialismus verwirklichen wollte? Es gibt, kurzum, mehr Fragen, mehr schwarze Löcher (was die Geschichte des Antifaschismus und deren z.T. sehr unterschiedlichen Theorien angeht), als wirkliche Gemeinsamkeiten. Genau dies nicht öffentlich zu diskutieren, sich eben nicht mit Ruhe und Zeit dieses (Bewegungs-)Wissen anzueignen, führt doch genau dazu, dass Antifaschismus das niedrigschwelligste Angebot der Linken ist und dass die Bündnisse, die man jeweils adhoc schmiedet, mehr von Ritualen und Moral (man muss doch wenigstens gegen Neonazis sein, wenigstens dagegen etwas tun..) geprägt sind, als von dem Wisssen um die Unterschiede und eine aktuelle Einschätzung, was die Rolle und Bedeutung von Neonazis angeht… Dass der „NSU-VS-MAD-Komplex“ in bürgerlichen Medien mehr diskutiert und beachtet wird als in antifaschistischen Zusammenhängen, dass man geradzu Angst hat, die Rolle des Staates exakt zu bennen und zu bewerten, gehört sicherlich auch dazu.
    Aber all das wird man nicht auf igrendwelchen Blogs lösen, sondern müßte eine wesentliches, brennendes Anliegen antifaschistischer und antikapitalistischer Gruppen sein.

    Wolf Wetzel


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