Ein Drehbuch
Auf dem Weg in die Diktatur des Verdachts
1.Schritt
Online-Durchsuchungen werden – mit Zustimmung der CDU-Opposition – vom damaligen SPD-Innenminister Otto Schily illegal angeordnet.
2. Schritt
Eine Indiskretion macht diese rechtswidrige Praxis öffentlich. Die Verfassungswidrigkeit dieser Überwachungsmaßnahme wird mit Bundesgerichtshofsurteil aus dem Jahr 2007 festgestellt.
3. Schritt
Das Problem wird kommuniziert: Die Verfassung darf nicht länger dabei im Weg stehen, sie zu schützen.
4. Schritt
Das Problem muss man ganz sachlich sehen: Die Verfassung ist keine heilige Kuh, sondern eine Knetmaschine.
5. Schritt
Ein humanitäres Lock-Angebot wird lanciert: Ein Internet-Kinderporno-Ring wird ausgehoben.
6. Schritt
Die Gefahrenlage steigt dramatisch: Die Terroristen machen was sie wollen und der Rechtsstaat schaut verfassungstreu, also wehrlos zu.
7. Schritt
An der Technik massenhafter Online-Durchsuchungen wird gearbeitet. Bis diese ausgereift ist, darf kontrovers diskutiert werden.
8. Schritt
Das damit betraute BKA signalisiert, dass die Technik einsatzbereit ist.
9. Schritt
Ein erschreckender Fall staatlicher Hilflosigkeit gelang an die Öffentlichkeit: Osama bin Laden aktiviert per Laptop die Schläfer in der ganzen Welt, also in Deutschland.
Dank unserer amerikanischen Freunde werden diese Erkenntnisse den zur Tatenlosigkeit verdammten deutschen Diensten zur Verfügung gestellt.
10. Schritt
Was die in Amerika können, müssen wir auch dürfen. Andernfalls verliert Deutschland den Anschluss an die Weltspitze.
Wer kann das wollen?
11. Schritt
Noch einmal führen Regierung und Opposition das gemeinsame Ringen um Verfassung und Bruch, Freiheit und Erfassung in einer hitzig geführten Redeschlacht auf – gefühlsecht und wartungsfrei.
Das fertige Gesetz zur Erweiterung der Befugnisse des BKA passiert mit einer satten Mehrheit den Bundestag.
Wolf Wetzel
Abspann
Termingerecht:
Am 4.8.2007 verhinderten Verfolgungsbehörden einen Anschlag, ein »Blutbad«. Mehrere Personen wurden verhaftet – »alle mit islamistischem Hintergrund. (…)
Der Fall löste eine neue Debatte über die vom Innenminister gewünschte Online-Durchsuchung von Computern aus. Schäuble sagte süffisant, man könne doch auf die jetzt so gelobten Sicherheitsexperten hören.« FR vom 6.8.2007
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