Dieser Film läuft in keinem Kino – er kommt zu Ihnen nach Hause. Ein staatliches 500 Milliarden-Unternehmen für die Business-Class
Zur Zeit läuft im Kino, von zahllosen Rezensionen angefeuert, der Film ›Der Baader-Meinhof-Komplex‹, der angeblich helfen soll, die Geschichte der RAF, der Roten Armee Fraktion zu verstehen, die in den 70er Jahren den bewaffneten Kampf gegen das ›System‹ aufnehmen wollte.
Wenn man rauskommt, läuft ein ganz anderer Film: Vor aller Augen wurden erst Milliarden von Euro verbrannt, dem nun genauso viele Milliarden an Steuergeldern hinterhergeworfen werden.
Ein Kapital-Verbrechen aller ersten Ranges – ohne Verfolgungsjagden, ohne Raster- und Ringfahndungen, ohne Rufe nach „Nulltoleranz“ und harten Gesetzen….
Die RAF verübte Anschläge, führte Attentate durch und versuchte durch Entführungen, gefangene RAF-Mitglieder zu befreien. Die Verfolgung ihrer Mitglieder, die Verfolgung von angeblichen Sympathisanten, die Hatz auf alles, was links und staatskritisch war, mündete in eklatanten Rechtsbrüche. Heinrich Bölls verfilmter Roman ›Die verlorene Ehre der Katharina Blum‹ fasste diese bleiende Zeit auf beeindruckende und bedrückende Art zusammen.
Es wurden neue Gesetze geschaffen (wie der § 129a von der ›terroristischen Vereinigung‹) neue Straftatbestande geschaffen (Aufruf zur Gewalt, Werbung für eine terroristische Vereinigung), die Polizei aufgerüstet, neue Fahndungsmöglichkeiten (Rasterfahndung) legalisiert, Rechtsgarantien abgeschafft (Kontaktsperregesetz), neue Gefängnisse gebaut und Trakte eingerichtet, in denen Isolationshaft praktiziert wurde. Zahlreiche RAF-Mitglieder wurden getötet, Dutzende wurden zu lebenslanger Haft verurteilt. Bis heute warten einige ehemalige RAF-Mitglieder auf ihre Entlassung.
Dass weder der Staat, noch die kapitalistische Ordnung ernsthaft bedroht waren, fasste Heinrich Böll ebenfalls prägnant zusammen: ›Sechs gegen sechs Millionen‹.
Doch nicht jede Minderheit wird so erbarmungslos bekämpft wie die RAF : Vor unser aller Augen wurden solange Milliarden von Euro verbrannt, bis das Feuer nicht nur die Banken selbst bedrohte, sondern das ganze System. Erwartungsgemäß und planmäßig sprang der Staat ein, erklärte so plötzlich wie wahrheitswidrig den Finanzsektor zum »öffentliches Gut«, um dann 500 Milliarden Euro an Steuergeldern hinterher zu werfen, was nichts anderes bedeutet, als die Verluste einer radikalen Minderheit zu sozialisieren.
Wie viele Banken müsste man überfallen, um auf diese (vorläufige) Summe zu kommen?
Keine Frage, viele Experten und Wirtschaftswissenschaftler sprechen längst nicht mehr von einer Banken- sondern von einer Systemkrise. Wie beim Domino-Spiel fällt gerade die nächste Systemkomponente, das Kreditwesen, zusammen – mit einem geschätzten Schaden von 900 Milliarden Dollar, alleine in den USA.
Die Sprengstofffallen – im Schutz der Deregulierungspolitker legal angebracht – sind gut verteilt, sie treffen tragende Stützen des Systems und wenn jemand gerade glaubt, dass nun alles überstanden sei, stürzt der nächste Pfeiler ein und begräbt die Gutgläubigen unter sich.
Was passiert denen, die systematisch das Geld anderer Menschen rauben und verbrennen?
Was passiert mit denen, die tagein, tagaus von den Selbstheilungskräften des Marktes rede(te)n? Was passiert mit denen, die diesen ›Selbstheilern‹ mit Gesetzen und Gesetzesverordnungen beiseite standen? Was passiert denen, die seit Jahren die Fakten kennen und bis zur letzten Sekunde vor Panik und übertriebener Sorge warnten – bis sie auch das Geld der Ängstlichen verbrannt hatten?
Nichts.
In der Rechtstheorie sollen Strafgesetze die Gemeinschaft schützen. Gemeinhin hängt die Höhe der Strafe auch vom Schaden ab, den ein Angeklagter der Gemeinschaft zufügt. Und wer kennt nicht die Gerede von Gesetzen und Gesetzesverschärfung, um potenzielle Straftäter abzuschrecken – durch Vorbeugehaft, totale Überwachung und Erfassung!
Wenn Jugendliche (gerne mit Migrationshintergrund) einen alten Mann zusammenschlagen, schreien die Rechtspolitiker und die Medien nach schärferen Gesetzes – und sind sich ruckzuck einig.
Nun schweigen sie komplizenhaft, völlig damit beschäftigt, das Geld von Unbeteiligten zu zählen, das als nächstes dran ist.
Oktober 2008
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